Neues Leben für Roma in Albanien

Neues Leben für Roma in Albanien

Sonja und Robert Rinke unterstützen eine Gruppe von Roma dabei, in Pogradec eine Gemeinde aufzubauen und Familien zu befähigen, mit Mikrokrediten einen Weg aus der Armut zu finden.

Pogradec ist wunderschön gelegen am Ohridsee, an der Grenze zu Mazedonien. Touristen schätzen die Stadt mit ihren 40.000 Einwohnern und die landschaftliche Schönheit Albaniens mit den Küsten an Adria und Ionischem Meer und der Berglandschaft mit Gipfeln bis auf 2800 Meter Höhe. Im krassen Gegensatz zu dieser Idylle wohnen in Pogradec 1.200 Roma in oft großer wirtschaftlicher Armut, die meisten zusammen in einem Stadtviertel. Hier entstand schon vor 20 Jahren – von einem karibischen Missionar gegründet – eine christliche Gemeinde, die sich „Nevo Trayo“ nannte: zu Deutsch „Neues Leben“. Sie hat eine bewegte Geschichte hinter sich, da der Gründermissionar eine weitere Gemeinde im 40 Kilometer entfernten Korça betreute und sich so nur wenig in den Aufbau der jungen Roma-Gemeinde investieren konnte. Über die Jahre wechselten die Leiter immer wieder und so kam es, dass viele der Roma, die hier zum Glauben kamen, ihr geistliches Zuhause nicht hier, sondern in albanischen Gemeinden im Umfeld suchten.

Roma werden oft als die größte ethnische Minderheit Europas bezeichnet, da die zehn bis zwölf Millionen in Europa ansässigen Roma in keinem Land die Bevölkerungsmehrheit darstellen. So ist nachzuvollziehen, dass die zum christlichen Glauben gekommenen Roma sich in den albanischen Gemeinden Pogradecs nie wirklich heimisch fühlten und viele sich um den jetzigen Leiter der Roma-Gemeinde sammelten. Die Gruppe wuchs auf 20 Mitglieder. Da aber Roma meist beengt leben, konnten sie sich zum Gottesdienst nicht in privaten Wohnungen treffen.

Da es auch dem karibischen Gründungsmissionar kaum möglich war, für Gemeinderäume aufzukommen und die Gemeinde beim Aufbau zu unterstützen, entschloss sich der neue Leiter 2016, in Deutschland nach Christen zu suchen, die sie unterstützen würden, zu einer eigenständigen Gemeinde zu werden und ihre Volksgruppe mit dem Evangelium zu erreichen. Durch die Freie evangelische Gemeinde in Frankfurt kam er in Kontakt mit der Allianz-Mission.

Wenige Monate nach diesem Entschluss besuchten Missionssekretär Albert Giesbrecht und ich die Gruppe in Pogradec. Uns beeindruckte die Leidenschaft, mit der der Leitungskreis sich dafür einsetzt, Gottes Gemeinde aufzubauen und die Zusammensetzung dieser Leitung: ein leidenschaftlicher Leiter, der sein letztes Hemd gibt, aber wenig strukturiert ist. Ein ruhiger, durchdachter und zuverlässiger Verwalter und eine liebenswürdige, mütterliche Frau, die ein Herz für Kinder und Frauen hat. Neben dieser Kerngruppe gibt es einen engagierten Mitarbeiterkreis. Gute Voraussetzungen also, zu einer eigenständigen Gemeinde zu wachsen.

Wir, Familie Rinke, leben und arbeiten als Missionare der Allianz-Mission im Nachbarland Kosovo, das auch mehrheitlich von Albanern bewohnt wird. Schon in meiner Jugend faszinierte mich Albanien. Das lag nicht daran, dass ich so viel von diesem Land wusste, sondern weil es absolut verschlossen war. Viel mehr als aus Karl Mays Werk „Durch das Land der Skipetaren“ war mir nicht bekannt. Jetzt, Jahrzehnte später, lebe ich inmitten der „shqiptar“, wie sich die Albaner selbst nennen. Wir hatten schon öfters Kontakt zu Roma und nun wurden wir durch die Allianz-Mission beauftragt, die Roma-Gruppe zu unterstützen.

Schnell merkten wir, dass es grosse Herausforderungen gibt…

Schnell merkten wir, dass es große Herausforderungen gibt: Die größte davon ist die Kultur der Roma, in der sich Werte und Herangehensweisen oft deutlich von unseren unterscheiden. Außerdem herrscht neben der materiellen und finanziellen Not auch ein großer Bedarf an Aus- und Weiterbildung. Niemand in der Gruppe wusste genug von der Bibel, um die Gruppe geistlich weiter zu entwickeln. Auch die Kenntnisse über Buchhaltung und Verwaltung reichten nicht aus, um als registrierte Gemeinde ausreichend Rechenschaft vor dem Staat geben zu können.

Aus der Zusammenarbeit ist in den letzten 1 ½ Jahren viel erwachsen: Die Roma-Gemeinde und wir Rinkes haben uns besser kennen- und verstehen gelernt. Unser Partner vor Ort, die Diakonia Albania, lehrt die Gemeinde, Rechenschaft zu geben und eine ordentliche Buchhaltung zu führen. Mit Unterstützung der Allianz-Mission sind wir dabei, die akute finanzielle Not der Gemeinde zu lindern, die Gemeinderäume und so die Gemeindearbeit zu sichern.

Die Auslandshilfe des Bundes Freier evangelischer Gemeinden in Deutschland unterstützte „Neues Leben“ mit Einrichtung für die Gemeinderäume und vielen Hilfsgütern für notleidende Roma-Familien vor Ort. An einer Bibelschule in Pogradec haben mit unserer Förderung zwei Mitarbeiter aus dem Leitungskreis eine theologische Ausbildung begonnen. Wir möchten zukünftig noch weiteren Mitarbeitern die theologische Bildung ermöglichen.

Dieses Jahr steht einiges auf dem Programm: So sollen durch Sozialprojekte notleidende Familien befähigt werden, sich selbst zu helfen. Manche Familien, die Land besitzen, können nicht genug Gewinn erzielen, um ihren Lebensunterhalt zu bestreiten, weil sie kein ausreichendes Startkapital haben. Drei Familien wollen wir helfen, Kartoffeln und Brokkoli anzupflanzen und Saatgut zu erzeugen. Zwei weitere Familien sollen Pumpen zur Bewässerung ihrer Felder erhalten. Andere erhalten Startkapital, um mit Gebrauchtkleidung auf dem Markt zu handeln. Sie alle werden von den Mitarbeitern der Roma-Gemeinde begleitet. Die finanziellen Hilfen werden als Kredit vergeben und sollen in den Sozialfonds der Gemeinde zurückgezahlt werden. Daraus sollen in den kommenden Jahren immer wieder neue Familien unterstützt werden. Weitere Projekte sind bereits angedacht: eine Schneiderei eröffnen oder junge Roma in Töpfern und Korbflechten ausbilden, um diese Produkte an Touristen verkaufen zu können.

Wir beten und arbeiten dafür, dass die Gruppe von Roma sich zu einer Gemeinde entwickelt, die ihre Volksgruppe mit dem Evangelium erreicht und ihnen durch sozial-diakonische Projekte hilft, aus der Armut herauszukommen. Bitte beten Sie mit für diese Gemeinde und deren Leiter. Und dafür, dass Gott Missionare beruft, die vor Ort in Pogradec den Roma helfen, die Gemeindearbeit aufzubauen.

Sonja und Robert Rinke sind Missionare im Kosovo

Dieser Artikel ist in unserem Magazin move (Mai-Juli 2018) erschienen.