Annette Schumacher staunt, wie aus einem gewagten Jugendprojekt nach über einem Jahrzehnt eine selbstständige Arbeit für Jugendliche am Existenzminimum gewachsen ist. Sie freut sich, dass sie nun die Arbeit in einheimische Händen weitergeben kann.
Seit 1986 besteht eine Partnerschaft zwischen der Allianz-Mission und der Afrika Inland Kirche, einer der größten Freikirchen Tansanias. Als Folge entwickelte sich zwischen Jugend-Geschäftsstelle der Afrika Inland Kirche und Allianz-Missionaren eine Zusammenarbeit, aus der auch Safina entstand. Safina ist ein tansanisches Jugend-Pilotprojekt in der Geita-Region südwestlich von Mwanza am Viktoriasee. Ziel war und ist es, mit einem ganzheitlichen Ansatz die Jugendlichen an der „Graswurzelebene“ zu erreichen und ihnen Perspektiven fürs Leben zu geben. „Graswurzelebene“ steht in Tansania für ein Leben am Existenzminimum, weil nach wie vor 32% der Bevölkerung mangelernährt sind.
Die Situation in Tansania und im ländlichen Geita
In Tansania lebt trotz bemerkenswerter wirtschaftlicher Entwicklungen nach wie vor über 75% der Bevölkerung auf dem Land und betreibt Ackerbau, Viehzucht oder verdient ihren Lebensunterhalt als Tagelöhner. 45% der Bevölkerung sind jünger als 15 Jahre und nur wenige haben die Möglichkeit, umfassende Schulbildung zu erlangen. Etwa 35% sind Jugendliche, von denen nur etwa 20% eine feste Arbeit haben. Die Perspektivlosigkeit ist ein großes Problem unter der Jugend.
Geita ist weltweit bekannt durch seine Goldminen. Der Goldabbau geschieht durch ausländische Minen und einheimische ungelernte Goldschürfer. Diese benutzen zum Goldauswaschen oft unwissentlich hochgiftiges Quecksilber, welches das Grundwasser verseucht. Erkrankungen wie Typhus, Amöben, Wurmerkrankungen oder Cholera sind Folge von anderweitig verschmutztem Trinkwasser und können mangels Krankenversicherung oftmals nicht oder nur unzulänglich behandelt werden, weil das Geld fehlt. Die schlechte gesundheitliche Versorgung der dörflichen Bevölkerung ist nach wie vor eklatant durch schlecht ausgestattete Dorfkliniken und nur ein Regierungskrankenhaus, das etwa 1.000.000 Menschen im Hinterland versorgt. Kirchliche Jugendarbeit in Tansania bedeutet also immer auch, die sozialen Nöte im Blick zu haben.
Safina – die Arche für Jugendliche
Die Philosophie vom Safina-Projekt ist es, eine Arche im ganzheitlichen Sinn zu sein: eine Anlaufstelle für junge Menschen in Not. Das wird durch eine ganzheitliche Sicht in der Entwicklungszusammenarbeit und Empowerment (Befähigung) auf drei Ebenen erreicht:
- Geistliche Hilfe (Glaubensförderung)
- Körperliche Hilfe (Basisgesundheit, AIDS-Aufklärung und Arbeit zum Lebensunterhalt)
- Geistige Hilfe (Lernen, Leiterförderung, Seminare, fachliche Qualifizierung, Basisgesundheitsarbeit und Präventionsarbeit)
Die Arbeit im Safina-Projekt folgt grundlegenden Prinzipien. Wir wollen keine Abhängigkeiten schaffen – weder personell noch finanziell, sondern Ressourcen vor Ort stärken und eigene Mitarbeiter heranbilden, die wiederum ihre Jugendlichen fördern. Ziel ist es, finanziell von Beginn an eigene Einnahmequellen zu erschließen und aufzubauen, wie den Verkauf von Natürlicher Medizin oder Sonnenblumenöl. Dazu gehört auch das gemeinschaftliche Leben und dadurch Charakterförderung und Entwicklung.
Die Arbeitsbereiche von Safina
Konkret umfassen die Arbeitsbereiche und Angebote von Safina vier Bereiche: Gesundheitsberatung und Behandlung mit Natürlicher Medizin, Schulung und Aufklärung, ein Demonstrationsgarten und Selbsthilfegruppen nebst Sonderaktionen.
Bei der Gesundheitsberatung geht es um Basisgesundheit und Trinkwasseraufbereitung, sexualethische Beratung und Aufklärung zu Themen wie AIDS und Malaria. Außerdem gibt es Beratung und Verkauf natürlicher Medizin (tropische Heilpflanzen) und Hilfen zu gesunder Ernährung und Prävention.
Mit dem Verein „anamed“ (Aktion Natürliche Medizin) bieten wir Seminare zu Natürlicher Medizin an und führen selber Jugend- und Leiterschaftsseminare durch. Auch schulen wir in den Bereichen Gartenbau, Imkerei, Fisch und Hühnerzucht.
In unserem Demonstrationsgarten kann Anbau und Ernte tropischer Heilpflanzen und ökologische Methoden des Gartenbaus praktisch erlernt werden, wie auch holzkohlesparendes Kochen und der Gebrauch von Solaröfen. Schließlich geht es darum, einfache Technologie zu bieten, damit das Erlernte auch für jene am Existenzminimum umsetzbar ist. In AIDS-Selbsthilfegruppen, mit einer Anspielgruppe zur Aufklärungsarbeit und der Beteiligung an einer landesweiten AIDS-Woche, helfen wir Erkrankten und klären präventiv über die HIV-Infektion auf. Dazu gehört auch die Betreuung von Kindern aus schwierigen Lebensverhältnissen.
Chance zu einem besseren Leben
Nach über einem Jahrzehnt intensiver Arbeit ist das Safina-Projekt in seiner vierten Phase angekommen: es sind bewährte Mitarbeiter herangewachsen, die im Glauben an Jesus Christus verwurzelt sind und ihren Auftrag an der Jugend sehen. Und es hat sich der Weg in die personelle und finanzielle Selbstständigkeit aufgetan durch die Herstellung und den Verkauf Natürlicher Medizin und das Betreiben einer Sonnenblumen-Ölpresse. So konnte im Januar 2018 das Projekt ganz offiziell an die Jugendgeschäftsstelle der einheimischen Kirche übergeben werden.
Eine kleine Erfolgsgeschichte, die vielen Jugendlichen und ihren Familien zu etwas verhilft, das wertvoller ist als das in der Gegend gewonnene Gold: der Chance zu einem besseren Leben und zum Leben als Christ – und das ganz in tansanischen Händen.
Ich lebe seit dem Tod meiner Eltern bei meinem muslimischen Onkel. Seit vier Jahren arbeite ich immer samstags bei Safina und konnte mir dadurch mein Schulgeld verdienen. Ich habe auch mit Hühnerzucht angefangen und will von dem Ersparten bald eine Ausbildung machen. Bei Safina gefällt mir das gemeinsame Singen bei den Andachten. Ich singe meinen jüngeren Geschwistern abends die Lieder vor.
Safina-Mitarbeiter D. (16 Jahre)
Wir erlebten miteinander, dass es lange dauern kann, bis eine Arbeit zur finanziellen und personellen Selbständigkeit aufgebaut ist. Heute sehen wir die Früchte. Dieses kleine Projekt an der Basis ist ein Modell dafür, wie viel man mit relativ wenig Knowhow und Geldeinsatz erreichen kann und wie chancenlose Jugendliche empowert werden. Bei Safina geschieht Charakterprägung vom christlichen Glauben her, nicht nur Ausbildung und Qualifikation. Und das ist meines Erachtens das Wesentliche, was Jugendliche für ihr weiteres Leben brauchen und bei Safina mitnehmen können.
Pastor M. (55 Jahre, ehemaliger Landes-Jugendvorsitzender)
Ich bin Waise und hatte keine Chance, die Schule abzuschließen. Durch „Safina“ habe ich zum Glauben an Jesus Christus gefunden, wurde geistlich und geistig gefördert und geprägt. Ich war früher sehr schüchtern. Doch dann habe ich erkannt, dass Gott mich liebt und ich wertvoll bin. Das hat mich mutig gemacht und mich bewegt, nun meinerseits anderen benachteiligten Jugendlichen zu helfen. Dass ich Safina Koordinatorin sein darf, ist eine große Herausforderung aber auch riesige Freude für mich. Als Jugendliche Christen wollen wir lernen, Verantwortung zu übernehmen und geistlich auszuleben, damit wir unser Land Tansania positiv weiterbauen können.
Safina-Koordinatorin S. (30 Jahre)
Ich gehöre zur Gründergeneration von Safina. Ich habe beim gemeinsamen Lesen der Bibel meine wichtige Rolle als Vater aber auch die Verantwortung als Berater für die junge Generation erkannt. Ich habe gelernt, meine eigenen Fähigkeiten zu erkennen, zu nutzen und auszubauen. Nun kann ich Zuhause viele Dinge selber herstellen, die Nachbarn gesundheitlich beraten und habe sogar angefangen, selber Maschinen zu erfinden. Momentan bastele ich an einer Bewässerungsanlage. Auch freut mich, dass die Regierung unsere Arbeit unterstützt und uns sogar einen Kredit gewährt hat. Sorge macht mir, dass Safina wirtschaftlich selbständig funktioniert aber dadurch als Geldquelle gesehen wird für andere Bereiche der Jugendarbeit und Kirche. Da brauchen wir als Gremium viel Weisheit, um Missbrauch von Mitteln vorzubeugen.
J., Mitglied im Safina-Gremium (55 Jahre)
Annette Schumacher ist Missionarin in Geita, Tansania
Dieser Artikel ist in unserem Magazin move (November 2018 – Januar 2019) erschienen.