Gottes User Interface sein

Gottes User Interface sein

Carsten Waldeck ist Geschäftsführer der SHIFT GmbH, die nachhaltige Smartphones herstellt. Im Interview berichtet er, wie Gottes Wertschätzung als Unternehmenswert ihre Arbeit prägt.

Hallo Carsten, wer bist du und was tust du?

Ich bin von der Ausbildung her Designer und komme aus dem kleinen Dorf Falkenberg in Nordhessen. Dort haben wir vor vier Jahren mit einem kleinen Unternehmen das erste deutsche Smartphone gebaut. Es ist momentan das modularste Smartphone der Welt.

Insbesondere ist es auch das erste deutsche Smartphone mit Schwerpunkt auf Nachhaltigkeit und fairen Arbeitsbedingungen. Wie ist es dazu gekommen?

Wir sind da so reingerutscht. Damals, als Crowdfunding entstand, habe ich ein erstes Projekt gestartet, das zum erfolgreichsten Crowdfunding-Projekt bisher in Europa wurde. Wir wollten einen Kamerakran mit Monitor bauen. Auf die Dauer gesehen wäre das Konzept aber nicht nachhaltig gewesen. So sind wir dazu gekommen, das erste Phablet zu bauen, also quasi ein Riesen-Smartphone. Auch das war ein großer Erfolg und daraus hat sich dann das alles Schritt für Schritt entwickelt.

Ihr beschreibt Eurer Unternehmensziel mit: „So viel Gutes tun, wie wir können und dabei so wenig Schaden wie möglich anrichten.“ Ist das deine persönliche Mission als Unternehmer? Und das für Werte leiten dich dabei, das umzusetzen?

Das ist tatsächlich unser Herz und nicht nur eine Marketing-Aussage. Das SHIFTPHONE ist die optimierte Lösung von dem, was wir zurzeit solide umsetzenkönnen. Eigentlich sogar viel mehr, als wir jemals gedacht hätten, dass es überhaupt möglich ist mit so einem Budget. Wir haben mit null Euro angefangen, nie ein Invest bekommen und sind deswegen komplett unabhängig. Wir wollen auf das große Bild schauen: Was ist eigentlich wichtig? Viele machen sich zu wenig und zu spät Gedanken darüber. Wir fänden es total schön, wenn Menschen diese Frage mehr ins Leben einbeziehen und nachhaltiger gewichten – mit dem größeren Blick. Mein Bruder, Vater und ich, die wir SHIFT gegründet haben wissen uns von Gott geliebt. Das ist eine tiefe Grundannahme und Wertschätzung, die ich mir für viele Menschen auf diesem Planeten wünsche. Das macht einfach glücklich und eröffnet neue Möglichkeiten für ungeahnte Räume. Zum Beispiel den Raum einer Firma, die keine Investments reinholt, sondern ausschließlich durch Privatkapital und Crowdfunding entstanden ist und läuft.

Das ist uns auch sehr wichtig. Gerade wegen der aktuellen Entwicklung. Bei Digitalisierung denken die meisten Leute: Wir sind vielleicht bei 50 Prozent Vernetzung oder so. Ich glaube, wir sind noch nicht einmal bei einem Prozent von Vernetzung und das richtig Krasse kommt erst noch. Dafür ist es unserer Meinung nach wichtig, Strukturen und Firmen aufzubauen, die nicht so sehr an das kapitalistische System gebunden sind. Wenn ich Vorschläge machen dürfte, wie man diesen Planeten ein bisschen gerechter, effizienter und schöner gestalten könnte, würde ich einen theo-relationalen Valuismus vorschlagen: kein Kapitalismus, sondern ein Werte-basiertes Echtzeit-System, was bestenfalls aus einer tiefen Gottesbeziehung gespeist ist. Ich wünsche mir, dass die Welt mehr gestaltet wird von Menschen, die mit einem großen liebevollen Herzen die Welt und die anderen Menschen anschauen.

Trotzdem heißt es in eurem Jahresbericht: „Ein komplett faires Gerät zu bauen ist derzeit leider noch nicht möglich.“ Wie lebt es sich für dich damit, im Hier und Jetzt noch manche Kompromisse im Business eingehen zu müssen?

Wenn wir nicht vorangegangen wären, weil man erst alles hätte perfekt machen wollen, dann würde es uns nicht geben. Denn niemand kann zurzeit ein komplett faires Gerät herstellen. Das heißt nicht, dass uns irgendetwas bekannt wäre, wo etwas Unfaires ist. Nur können wir noch nicht beweisen, dass alles fair ist, weil wir noch nicht die komplette Lieferkette transparent haben. Also konzentrieren wir uns auf das, wo wir viel bewegen können. Das Problem der Lieferkette ist beim Smartphone, dass diese so unglaublich komplex ist und es vorkommen kann, dass Materialien aus Minen z.B. im Kongo kommen, wo Ungerechtigkeit herrscht. Deshalb habe ich Minen dort besucht und wir wählen bewusst aus, mit welchen Minen wir zusammenarbeiten und welche wir unterstützen. Doch der Impact im Lieferketten-Bereich ist für so ein kleines Unternehmen vergleichsweise gering, da wir nur sehr kleine Mengen von Rohstoffen benötigen. Eine wesentlich größere Auswirkung haben wir da im Design-Bereich. Wir haben nicht geglaubt, dass in so kurzer Zeit ein Unternehmen entsteht, was so vollmodulare Smartphones im Highend-Bereich anbieten kann und wir da weltweit so weit vorne sind. Das ist für uns undenkbar gewesen – ein echtes Wunder.

Persönlich über dich: Mit Deiner Familie hast du dein geistliches Zuhause in einer Freien evangelischen Gemeinde. Und machst aus deiner Begeisterung für Jesus kein Geheimnis. Wie bist du zum Glauben gekommen?

Carsten Waldeck: Ich bin aufgewachsen in einem christlichen Elternhaus. Mein Vater lehrte Mathe und Physik an der Uni Gießen. In dieser Zeit ist er zum Glauben gekommen. Als er mitbekam, dass viele seiner Studenten massive Probleme mit Drogen hatten, hat er erkannt: die brauchen Hilfe für ihr Leben und etwas, was sie richtig erfüllt. Er hat eine Teestube gegründet und sie dorthin eingeladen. Viele hatten kein richtiges Zuhause mehr. Sie lebten bei uns, manche schliefen sogar in unserer Badewanne. Es entstand eine Art Lebensgemeinschaft. Mein Vater gab seinen Beruf auf und gründete das Werk „Hoffnung für Dich“. Dort habe ich mitbekommen und erlebt, wie es ist, wenn man nicht einen Traditionsglauben lebt, sondern sich auf Gott verlässt. Wie meine Eltern: Mein Vater hat den Beruf aufgegeben, ohne eine richtige Absicherung zu haben. Es gab Zeiten, da wussten wir nicht, was wir essen sollten in der nächsten Zeit. Aber unsere Eltern haben mit uns zusammen gebetet und wir haben ein Wunder nach dem anderen erlebt: wie, dass auf einmal Dinge vor der Tür standen. So hatten wir nie Not und waren total erfüllt und glücklich.

War Mission irgendwann mal ein Thema für dich?

Nach meinem Abi war ich eine Zeit in England an einer Bibelschule der Fackelträger. Das war die Zeit im Leben, wo man dann vor der großen Weggabelung steht und die Entscheidung trifft, in welche Richtung es geht. Ich habe mich für viele Dinge interessiert: für Physik, hatte aber auch ein Herz für Menschen. Und auch Gestaltung, Design und Visuelles haben mich angesprochen. So viele Möglichkeiten. Letztendlich wollte ich das tun, was aus der großen Perspektive – Gottes Perspektive – wichtig und dran ist.

Wie hat Gott dir deutlich gemacht, dass es nicht weltweite Mission, Sozialarbeit oder Gemeindedienst ist, sondern zumindest für den Anfang – ein Telefon?

Ich war für alles offen. Weil ich Gottes Willen tun wollte und gelernt hatte, dass wir dabei letztendlich am glücklichsten sind. Ich habe an der Bibelschule viel Zeit mit Gott verbracht. Einfach so – in dieser Liebesbeziehung. Damals habe ich nachts geträumt, wie eine unglaubliche Zeit der Veränderungen auf uns zukommt. Da wusste ich: das soll mir wichtig sein. Letztendlich machen wir heute mit SHIFT nichts nach außen missionarisch. Wir sind kein Missionswerk, sondern eine Firma, die richtig gute Produkte macht, die möglichst nachhaltig und fair sind. Aber die Menschen fragen sich natürlich: Warum machen sie das so anders? Da erzähle ich von meinem Leben. Erzähle, warum mir das wichtig ist. Guter Kundenservice ist, dass die Menschen wissen, sie sind uns wertvoll und wir vertreiben hier keine Produkte, sondern beginnen eine Beziehung mit Menschen. Wenn man in ein Wort zusammenfassen würde, was wir machen wollen als SHIFT: Wertschätzung. Wir wollen Wertschätzung leben unseren Kunden, dem Planeten und allen Menschen gegenüber, die beteiligt sind, dieses Produkt herzustellen. Bei uns ist diese Wertschätzung aus der Grundannahme gespeist, dass wir von Gott geliebt sind und deswegen auch nichts anderes brauchen.

Ein neuer Ansatz in der Missionstheologie ist „Business for Transformation“. Was kann christliche Mission von gutem nachhaltigem Business heute lernen?

Ich würde einen Punkt tiefer ansetzen und es einfach „Life for Transformation“ nennen. Denn wie ich lebe und bin, hat auf alles Auswirkungen. Wenn ich Business mache, wird auch das Business davon geprägt sein. Ich finde, Mission muss gar nichts lernen – weder vom Business noch von irgendwas. Mission sollte einfach nur von Gott und von Jesus lernen. Wir sind nun mal nicht Gott, und das ist auch gut so. Trotzdem macht Gott die Sachen nicht selbst. Er benutzt uns als User Interface (deutsch: Benutzerschnittstelle). Gott nimmt sich so sehr zurück, damit wir das Interface sind, auf der gleichen Höhe wie die Menschen hier. Mit denselben Fehlern, Problemen, Schwächen. Mit demselben Körper, Krankheiten, Geworden sein. Ich glaube, Gott liebt Augenhöhe, weil das auch viel mit Wertschätzung zu tun hat.

Das Interview führte Simon Diercks, Referent für Öffentlichkeitsarbeit

Dieser Artikel ist in unserem Magazin move (Mai – Juni 2019) erschienen.