Wenn Songs zum Bekenntnis werden

Wenn Songs zum Bekenntnis werden

Rosely Maia wuchs in ärmlichen Verhältnissen in Brasilien auf und war durch die Musik in der Gemeinde zuhause. Jahre später entdeckt sie in Italien Gottes Berufung zur Musikmissionarin.

Rosely Maia, Sie leiten seit 2017 die Musikschule und Worship Academy im Christlichen Gästezentrum Schönblick. Was machen Sie dort?

Die Musikschule gibt es schon seit 15 Jahren und ich sollte wieder ein bisschen Leben rein und sie mehr in die Stadt bringen. Wir wollten zeigen: dieses Angebot ist nicht nur für Christen, sondern für die ganze Stadt. Die Worship Academy habe ich dann Januar 2019 übernommen – mit dem Ziel, die Musikszene in Deutschland und eine Generation zu prägen, die mit Gott unterwegs sein und möchte Musik als Werkzeug dafür versteht.

Die Liebe zur Musik begann bei Ihnen schon mit drei Jahren, als Sie in ihrer Heimatgemeinde in Brasilien an frühmusikalischen Erziehungsstunden teilnahmen und die ersten Klavierstunden erhielten. Im Rückblick sagen Sie, dass die Musik Ihren Glauben sehr gestärkt hat. Wie?

Die Musik hat mich fast jeden Tag in die Gemeinde gebracht: zum Unterricht oder zum Üben, weil meine Familie kein Geld für ein Klavier hatte. So habe ich in meiner Gemeinde in Brasilien von Kindesbeinen an alles miterlebt, was unter der Woche lief: mit Mitarbeitern, Pastoren und Veranstaltungen. Später als Teenager wurden mir die Texte vom Lobpreis wichtiger und ich habe mit 15 Jahren angefangen, im Gottesdienst zu spielen. Es war eine große Gemeinde mit 2000 Mitgliedern und ich empfand das als Ehre. Musik hat sich so immer mit meinem Glauben vermischt. Ich bin in meiner Gemeinde aufgewachsen fast wie Samuel, von dem in der Bibel berichtet wird, dass er im Tempel aufwuchs. Die Musik war für mich wie ein priesterlicher Dienst von Kindheit an, ohne dass ich das bemerkt habe.

Später studierten Sie Musik und machten sie zu Ihrer Profession. Was ist Ihre persönliche Mission und Berufung dabei?

Angefangen hat für mich alles mit Chemie-Ingenieurwesen, weil es in Brasilien nicht gut möglich ist, von Musik zu leben. Ich war im letzten Jahr meines Ingenieurstudiums und habe richtig Gas gegeben und sehr viel gelernt. Ich war topfit, habe die Klausuren geschrieben, aber die Ergebnisse waren sehr schlecht. Das konnte ich mir nicht erklären und war wirklich sauer auf Gott. Mein Freund sagte: „Das ist nicht Dein Platz! Du lebst doch für Musik.“ Aber ich wollte nicht von Musik leben, weil das in Brasilien kein schöner Beruf ist. Und ich müsste nochmal eine Aufnahmeprüfung machen, um einen Studienplatz zu bekommen. Da ich an der besten Universität Brasiliens studierte, war es auch die schwierigste Aufnahmeprüfung und es gab nur 20 Plätze für das Studienfach Musik. Also habe ich Gott gesagt: „Ich lerne nicht noch mal so viel. Wenn es die Musik sein soll, dann mache ich die Prüfung, ohne vorher eine Zeile zu lesen.“ Und ich habe alles hingekriegt: vier Tage Aufnahmeprüfung und vier Tage Fachprüfung habe ich überstanden und war drin. Für mich war es ein Wunder, dass ich reingekommen bin. Und damit nicht genug: Ich hatte aus privaten Gründen nur zwei Jahre Zeit, um das Musikstudium abzuschließen. Während meines Ingenieurstudium hatte ich nebenher bereits viele Kurse in Musik belegt. Als ich dann offiziell mein Musikstudium begann, teilten mir die Dozenten mit: „50 Prozent haben Sie schon geschafft.“ So war ich rechtzeitig fertig und konnte dann meinen Mann begleiten, als er beruflich nach Italien umziehen musste. Das alles hat Gott organisiert.

Zunächst war ich traurig, weil ich meine Musik-Karriere aufgeben sollte, bei all den Musikern, mit denen ich gespielt hatte. Aber in Italien wurde mir klar: „Ich bin jetzt eine Missionarin.“ Ohne dass Gott oder sonst jemand mir das gesagt hat. Die Menschen waren dort so durstig nach Gottes Botschaft. Durch hochwertige Musik konnte ich Italiener erreichen. In unserer Gemeinde in Italien waren nur 18 Mitglieder – allesamt Brasilianer. Nach und nach sind Italiener gekommen zu Konzerten mit Mini- und Kammerchor. Viele Italiener sind enttäuscht von Gott und beschweren sich über die Geschichte, Kirche und Gott. Wir haben von Jesus erzählt und mir wurde klar, welche Aufgabe ich in Europa hatte: musikalische Qualität in die Gemeinden zu bringen. Für mich ist die Musik eine Tür, durch die viele reinkommen und die Angst vor Gott ein bisschen zur Seite legen.

Wie sind Sie denn von Italien nach Deutschland gekommen?

Mein Mann ist schuld. Durch seine Firma sind wir weggezogen zuerst nach Italien und dann nach Deutschland. Hier habe ich dann einen Studienplatz an der Filmakademie und später unsere drei Kinder bekommen. Als Musiker ist man immer unterwegs und arbeitet oft abends. Es war nicht möglich mit Kindern, das alles zu verbinden. Und doch war es mir zu wenig, den Haushalt zu organisieren und die Kinder zu begleiten. Ich wollte mehr. Und Gott sagte: „Bleib bei mir. Du kannst beides machen: Musik mit Qualität und eine Botschaft weitergeben, die bleibt.“ Als ich dann eine Musik-Akademie gründen wollte, stieß ich auf die Worship Academy und erfuhr, dass die Leitung der Musikschule Schönblick vakant ist. So bin ich nach Schönblick gekommen. Ein Jahr später sitzen mein Chef Martin Scheuermann und der Gründer Gaeton Roy vor mir und fragen mich, ob ich auch die Worship Academy übernehmen will. Das war der Plan von Gott, den ich mir gar nicht vorstellen konnte. Wenn wir uns leiten lassen, braucht man sich keine Gedanken zu machen und keine Ängste zu haben. Er führt alles in seiner Zeit.

Der Gründer der Worship Academy – Gaeton Roy – schrieb: „Darum geht es an erster Stelle: Gott zu danken und ihn zu verherrlichen, indem wir das tun, was er will.“ Wie setzen Sie diesen Wert konkret um?

Ich gebe weiter, was ich selbst erlebt habe: meine Vergangenheit, die finanziell sehr schwierig war. Die Grenze der Armut hat meinen Glauben gestärkt und mein Vertrauen auf Gott verstärkt. Wenn man nichts hat, hat man nur eine Möglichkeit: auf Gott zu vertrauen und zu hoffen und seine Macht zu erleben. Heute bin ich in einem Land, wo wir alles haben und ganz schnell Gott vergessen können. Der Fokus muss immer wieder zurück, weil wir alles perfekt organisieren wollen und der Alltag vom Fokus wegführt.

So bemühe ich mich, dass die Leute, die zu uns kommen, mich kennenlernen und diese Leidenschaft ernst nehmen, die von Gott kommt. Die Freude, wenn wir Gott und ihnen mit unseren Begabungen dienen. Musik kann sehr viel Spaß machen, hat aber auch eine Tiefe, die man erleben kann. Konkret heißt das: Wir versuchen, dass Songs zum Bekenntnis werden. Die Teilnehmer sollen merken: „Wenn ich Lobpreis gestalte, ist das auch für mich ein Moment, wo ich selbst mit Gott reden kann. Aber ich bin auch als Diener hier.“ Das heißt, ich versuche, die Gemeinde abzuholen, wo sie ist und sie zu unterstützen auf dem Weg zu Gott. Das funktioniert nicht, wenn die Musiker selbst nicht für Gott brennen. Und da müssen wir natürlich die technischen Fähigkeiten stärken. Wir erleben auch immer wieder Musiker, die ein großes Herz haben, aber das nicht musikalisch umsetzen können. Die müssen wir befähigen.

In der Vorstellung der Musikschule Schönblick heißt es: „Musik schafft es, Menschen weltweit zu verbinden, egal aus welchem sozialen oder kulturellen Hintergrund sie kommen und über jede Altersgrenze hinweg.“ Wie haben Sie das persönlich erlebt?

In Brasilien reden wir mit sehr viel Gefühl, sehr emotional. Auch die Beziehung zu Gott ist sehr emotional. Wir kamen nach Europa und hier ist alles sehr bedacht und durchdacht. Mich hat das beunruhigt, weil ich mir nicht vorstellen konnte, dass man nur gedanklich beim Lobpreis dabei sein kann. Aber ich habe verstanden, dass Musik, egal wo man ist, die Menschen ähnlich bewegt. Wenn ich einen Moll-Akkord spiele: egal ob man Brasilianer, Italiener oder Japaner ist, wird man nachdenklich. Die Musik erzeugt Emotionen, die sind sehr ähnlich. Lobpreis bedeutet für mich eine große emotionale Geschichte, gerade wenn wir aus dem Alltag kommen und gar nicht bei Gott sind. Das ist eine Kunst zu verstehen: Was ist die Verbindung zwischen Musik und Gefühlen? Wie kann ich das im Gottesdienst einsetzen, damit es den Menschen hilft, Gottes Stimme zu hören?

Was ist für Sie ein Traum, der noch aussteht?

Mich bewegt der Wunsch, wieder mehr Musik mit Orchestern zu machen, aber im klassischen Bereich. Man braucht alle erworbenen Kenntnisse, um ein Stück für Orchester zu arrangieren oder zu schreiben. Das macht mir richtig Spaß. Das ist ein Wunsch, der noch ganz ruhig sitzt.

Das Interview führte Simon Diercks, Leiter Communication & Media

Dieser Artikel ist in unserem Magazin move (November 2019 – Januar 2020) erschienen.