Kenia, Krebs und Kairos

Kenia, Krebs und Kairos

Michael will als Ingenieur die Welt verändern. Doch Gott hat andere Pläne mit ihm, die ihn nach Kenia und durch Krankheit, Trauer und zu immer neuer Hoffnung führen.

Im Schwarzwald aufgewachsen, zog seine Familie samt dem zehnjährigen Michael nach Biengen im Breisgau. Vom eigenen Opa Emil inspiriert, der alles reparieren konnte, ließ sich Michael bei der Deutschen Bahn als Energieanlagenelektroniker ausbilden. Er träumte davon, Elektroingenieur zu werden und etwas Weltbewegendes zu erfinden. Als er nach der technischen Oberschule zum Wehrdienst eingezogen werden sollte, verhalf Michael ein leidenschaftlicher Christ nicht nur zur anerkannten Kriegsdienstverweigerung, sondern auch dazu, sein ganz eigenes „Ja“ zu einem Leben mit Jesus zu finden.

20 Monate Zivildienst beim Gießener CVJM folgten: Ein Jugendzentrum im sozialen Brennpunkt wurde zum perfekten Ort für den Zivi, seinen Glauben weiterzusagen. Danach nahm er Kontakt zur praktisch orientierten Missionsgesellschaft Diguna auf. Aus angedachten sechs Monaten wurden drei Jahre, zwei davon in der Mission in Kenia. Neben Elektroarbeiten auf der Missionsstation erlebte Michael, wie Menschen zum Glauben kamen. Das faszinierte ihn so, dass er statt Elektrotechnik nun Theologie studieren wollte, um den Menschen besser von Gott erzählen zu können.

In Kenia lernte Michael seine erste Frau Marion kennen. Sie entdeckten, dass ihre Lebensziele und der Wunsch, in die Mission zu gehen, sie verbanden, wurden ein Paar und heirateten 1990. In den folgenden Jahren begannen sie gemeinsam eine theologische Ausbildung im Forum Wiedenest und freuten sich über ihr erstes Kind.

Getrübte Freude, wurde bei Michael doch zur gleichen Zeit die Autoimmunerkrankung Multiple Sklerose diagnostiziert. Doch Gott macht ihnen deutlich: „Geht weiter! Macht das Studium fertig und geht nach Afrika!“. Und Gott sorgte für Michael: Nach dem Theologiestudium erlebte er im Gemeindepraktikum, wie die Gemeindeleitung für ihn betete und sich seine Krankheit fortan verbesserte, so dass er sich Jahre später als geheilt bezeichnet.

1997 geht es los: als junge Familie – inzwischen mit zwei Kindern – in die Mission nach Kenia. Dort hat Michael viele Verantwortungsbereiche auf einer Missionsstation von 60 Missionaren und 20 Angestellten. Ab 2005 leitet er die Station bei Nairobi und erwirbt 2013 seinen Master in christlicher Leiterschaft an einer Universität vor Ort. Auch als Familie genießen sie die Zeit, so dass Michael eines Tages zu seiner Frau sagt: „Ich glaube, ich bin der glücklichste Missionar auf dieser Welt. Um uns aus Afrika wegzubekommen, müsste sich Gott schon etwas Heftiges einfallen lassen.“

„Du brauchst nicht mehr nach Afrika gehen, ich schicke dir die Menschen nach Deutschland.“

Das Heftige kommt 2012 in Form einer Krebserkrankung von Marion. Hals über Kopf müssen sie das Land verlassen, die Kinder bleiben im Internat in Afrika zurück, um ihren Abschluss zu machen. Marion und Michael ziehen ins hessische Haiger und Michael arbeitet in der Zentrale von Diguna, während Marions Krankheit wellenförmig verläuft. Mal die Hoffnung, wieder nach Afrika zurück zu können, mal undenkbar angesichts ihrer Verfassung. Trotz zunehmend schlechter Gesundheit kann Marion viele Menschen ermutigen, ihr Vertrauen – wie sie – auf Jesus zu setzen. Im Herbst 2013 offenbart sie ihrer Familie: „Wenn ich sterbe, ist es mein Wunsch, dass Papa noch einmal heiratet“. Ein fast unangenehmer Moment, aber das war ihre Agenda. Bei zunehmender Verschlechterung ihres gesundheitlichen
Zustandes plant Marion ihre eigene Beerdigung als „Feier der Hoffnung“, weil sie wisse, wohin sie gehe. Am 18. April 2014 stribt sie im Kreis der Familie.

Michael musste lernen, mit einer neuen Lebens- und Familiensituation umzugehen: alleine, die Kinder in Orientierungsjahr und Ausbildung. Wieder in die Mission nach Afrika zu gehen: ein fremder Gedanke. Kaum vorstellbar, dort weiterzumachen, wo er aufgehört hatte, und das ohne Familie. Michael entschied, in Deutschland zu bleiben, und suchte nach einer Stelle, wo er seine interkulturellen Kompetenzen einsetzen konnte.

So entstand 2013 der Kontakt zur Allianz-Mission und eine Perspektive in der Flüchtlings- und Migrantenarbeit. Dass die Unterstützer, die über Jahre treu hinter ihnen gestanden hatten, nun auch für seine Arbeit bei der Allianz-Mission spenden wollten, ermutigte ihn sehr. Zudem zeigte Gott ihm: „Du brauchst nicht mehr nach Afrika gehen, ich schicke dir die Menschen nach Deutschland.“

Ab 2015 kam eine Welle von Asylbewerbern aus vielen Ländern, darunter auch ostafrikanische Nachbarländer von Kenia wie Äthiopien, Somalia, Sudan und Eritrea. Manchmal fühlte Michael sich wie in Afrika. Für ihn eine Bestätigung, am richtigen Ort zu sein. Er gründete mit anderen Mitarbeitern Arbeitskreise für Flüchtlingsarbeit und war auch bei der Gründung des Kairos-Projekts in Haiger – einer Kirche für Menschen aus aller Welt – mit von der Partie. Michael ist leidenschaftlich glücklich: Nach 23 Jahren Missionarstätigkeit in Afrika kann er seinen Missionsdienst hier in Deutschland fortsetzen.

In dieser Arbeit lernt Michael die ebenfalls verwitwete Ellen kennen und lieben. Auch sie hat ein Herz für Mission und zwei Kinder. 2016 heiraten die beiden ein zweites Mal und staunen bis heute, wie gut es Gott mit ihnen meint. Psalm 23 steht auf dem Grabstein von Ellens verstorbenem Mann Peter Knop und wurde später zum Trauvers, als Ellen und Michael heirateten. Wie Peter als Pfarrer einst gesagt hatte: „Das sind Worte, an denen wir uns im Leben und Sterben festhalten können!“

Gott hat sie auch durch ihre dunklen Täler geführt und so sind sie überzeugt: Es lohnt sich, an ihm festzuhalten und immer wieder beschenkt zu werden. Heute begeistert Michael neben dem vielfältigen Einsatz unter Migranten auch die Pfadfinder- und Gemeindearbeit der zum Bund FeG hinzukommenden Gemeinde in Langenaubach. Sein Herzensanliegen bleibt es, Menschen zum Glauben an Jesus zu führen – egal welchen Alters oder Herkunft.

Liebste Freizeitbeschäftigung: E-Bike fahren, Reisen, handwerkliches Arbeiten
Mein letztes Buch: „Wie ticken die Deutschen“
Mein Job bei der Allianz-Mission: Flüchtlings- und Migrantenarbeit, „Mission in Return“, Sicherheitsbeauftragter für Missionare
Bei der Allianz-Mission: Seit September 2014
Ich liebe an der Allianz-Mission: Christuszentriertheit und den weiten Horizont für neue misisonarische Aufgaben
Ein Lebenstraum von mir: Privat: Reisen in ferne Länder, z. B. USA, Kuba, Peru, Seychellen
In der Flüchtlingsarbeit: Orte der Versöhnung unterschiedlicher Kulturen schaffen
Manchmal kann ich nicht schlafen, wenn… ich neue Ideen habe, wenn ich zu sehr begeistert oder besorgt bin
Diese Bibelverse bedeuten mir viel: Psalm 23. Die Verse drücken Gottes Liebe und Fürsorge aus und schenken Trost und Ermutigung.

Michael Hörder ist Referent für Migration und Integration in Deutschland

Das Portrait schrieb Simon Diercks, Leiter Communication & Media

Dieser Artikel ist in unserem Magazin move (August-November 2020) erschienen.