Zum Glauben verführen?

Zum Glauben verführen?

Wie weit dürfen evangelistische Methoden und Strategien gehen, um Menschen zu einer Glaubensbeziehung zu Jesus Christus einzuladen? Eine kritische Grundausrichtung von Jochen Fiebrantz.

Ein Café in Südostasien. Es herrscht viel Betrieb. Studenten sitzen zusammen, klönen, spielen Brettspiele, genießen kreative Getränke. Nirgends fromme Symbole oder Bibelsprüche. In einem gekühlten Raum läuft ein kostenloser Englischkurs. Für den Abend ist wieder ein „Charity Event“ (deutsch: Wohltätigkeitsveranstaltung) angekündigt, in dem unter von Gästen selbst initiierten Hilfsaktionen eine gewählt wird, die für die nächsten Monate vom Café unterstützt wird. Erstaunlich: In diesem Café kommen immer wieder Menschen zum Glauben an Jesus.

Natürlich: Mission sieht heutzutage anders aus als bei den alten Spaniern mit ihren Zwangsbekehrungen der amerikanischen Ureinwohner. Aber wenn es um etwas so Entscheidendes geht, wie die Bekehrung eines Menschen, sollte uns da nicht jedes Mittel recht sein? Hauptsache, es kommt zum rettenden Übergabegebet?

Als Missionarinnen und Missionare der Allianz-Mission (AM) haben wir es in Gemeinden weltweit immer wieder so erlebt: Sobald eine Evangelisation ansteht, lädt man Bekannte ein, um der Beziehung willen doch wenigstens einmal mit zur Gemeinde zu kommen. Am Ende der Veranstaltung ist es dann für den Gast kulturell fast unmöglich, sich dem feurigen Drängen des wohlmeinenden Einladenden zu verweigern. Also folgen viele überrumpelt dem Aufruf, nach vorn zu kommen. Dort lässt man sie ein Übergabegebet nachsprechen. Anschließend wird die Adresse notiert. Man preist den Herrn für die vielen Bekehrten. Die so erreichten Entscheidungszahlen sind vielleicht beeindruckend. Leider sieht man später aber nur einen Bruchteil dieser Menschen wieder in der Gemeinde.

Ein anderer, in armen Ländern beliebter Weg für schnelles Mitgliedswachstum ist das Austeilen von Lebensmitteln an Besucher – wenn sie sich für Gott entscheiden. Leider bleiben diese sogenannten „Reis-Christen“ der Gemeinde meist nur so lange treu, bis es anderswo ein attraktiveres Angebot gibt.

Im evangelistischen Dienst lassen sich mit geeigneten Methoden also offenbar beachtliche Erfolgszahlen erreichen. Wie aber sieht es dann aus mit bleibender Frucht: mit echter Lebensübergabe und Wiedergeburt, mit tragfähigem Glauben und gelebter Jüngerschaft?

Als AM wollen wir vom feurigen Eifer und vom opferbereiten Einsatz unserer weltweiten einheimischen Glaubensgeschwister lernen. Sie sind uns oft Vorbilder darin, wie sie z. B. die Weihnachtszeit für vielfältige evangelistische Aktionen nutzen, statt sich ins private Familienglück zurückzuziehen. Gleichzeitig wissen wir, dass sich mit menschlichen Methoden keine echten Bekehrungen erzeugen lassen. In der Bibel steht Jesus‘ nüchterne Feststellung, dass niemand Gott finden kann, den Jesus nicht selbst zieht (Johannes 6,44). In Apostelgeschichte 16,14 ist es Jesus selbst, der Lydia im Herzen berührt.

Wir sind berufen, Zeugen von Gottes Heiligkeit und seiner freien Gnade und Liebe zu sein, Botschafter der Versöhnung.

Diese Berufung muss sich auch in unserem Vorgehen widerspiegeln. Statt uns unter menschlichem Erfolgsdruck zu manipulativen Methoden hinreißen zu lassen, wollen wir authentische Beziehungen aufbauen, Menschen Liebe erweisen und sie einladen in ein Leben mit Jesus, in eine Gotteskindschaft aus freien Stücken.

Materielle oder psychologische Bekehrungsanreize sind da fehl am Platz. Auch Wohltätigkeit darf nicht als Klebefalle missbraucht werden. Wir wollen keine Glaubensverführer sein. Stattdessen setzen sich unsere Mitarbeiter in aller Welt dafür ein, Menschen ohne Vorbedingungen Gutes zu tun, sich in Lebensnöten an ihre Seite zu stellen, und ihnen von dem Gott zu erzählen, der ihr eigenes Leben umgekrempelt hat.

Gerade diese Abhängigkeit von Gottes Wirken befreit uns vom Leistungsdruck, vom Kontrollieren-Müssen, von der Versuchung zur Manipulation für einen guten Zweck. Sie befreit uns zum Loslassen von Menschen an das mächtigsanfte Wirken des Heiligen Geistes.

Jochen Fiebrantz ist Bereichsleiter für Asien

Dieser Artikel ist in unserem Magazin move (Feb-Mai 2021) erschienen.