„Hauptsache, das Evangelium läuft!“

„Hauptsache, das Evangelium läuft!“

Als junger Mann reparierte Michael Strub russische Loks in der DDR, später erlebt er, wie binnen weniger Jahre zehntausende Menschen in der Mongolei zum Glauben kommen. Was beides verbindet, ist sein Lebensmotto.

Wer diesem Mann gegenübersitzt und ihm mit seinen grauen lichten Locken lauscht, wie er mit „Berliner Schnauze“ energiegeladen aus seinem Leben berichtet, der wird an diesem einen Satz nicht vorbeikommen: „Die Hauptsache ist, dass das Evangelium läuft!“ Mehr als ein Motto – ist es doch jene Grundmaxime, die die so diversen Stationen und Rollen seines Lebens verbindet: Kind schlesischer Flüchtlinge, Missionar, Triebfahrzeugelektriker und in der DDR auch schon eine Gefängniszelle von innen erlebt, Pastor und Gemeindegründer, Berater, Missionar und Erweckungszeuge in der Mongolei, Bibellehrer und Dozent und zuletzt Geburtshelfer einer lange vorgezeichneten Verschmelzung.

Wer ist dieser Mann?

Michael Strub wurde als Kind schlesischer Flüchtlinge in Ratenow an der Havel geboren. Eigentlich wollten seine Eltern als Missionare nach China. Doch China war zu und so gingen sie stattdessen als Missionare in die DDR. Wie intensiv sie dort stets unter Beobachtung standen, konnte Michael Jahrzehnte später in seiner 250 Seiten starken Stasi-Akte nachlesen. Für Michael – nach eigener Aussage mit einem „genetisch verankert gesundem Selbstwert“ beschenkt – kein einfacher Kontext, um darain aufzuwachsen. Vor der gesamten Schulklasse für seinen christlichen Glauben vom Lehrer verspottet zu werden, gehörte ebenso dazu, wie dass ihm das Abitur versagt blieb. Statt Studium reparierte er so als Triebfahrzeugelektriker russische Dieselloks.

Für ihn war klar: „Mein Wert hängt nicht davon ab.“ Und doch trieb ihn seine Leidenschaft, was für Gott zu machen, die Welt kennen zu lernen und in die Mission zu gehen, zu zwei Versuchen, in den Westen zu gelangen, deren erstem er einen eintägigen Gefängnisaufenthalt auf DDR-Kosten verdankt. Beim zweiten hatte er sich einfach für ein theologisches Studium in der Schweiz beworben und war mit diesem Anliegen beim ostdeutschen Kirchenpräsidenten vorstellig geworden. „So ’ne Leute wie Sie brauchen wir hier“, war dessen Antwort und brachte den jungen Michael ins Nachdenken: „Wie sonst kommt das Evangelium zu denen in der Welt, die es noch nicht kennen?“

Stattdessen bewährte er sich erstmal als Prediger in einer landeskirchlichen Gemeinschaft in Potsdam und rutsche dabei in die erste von drei Gemeindegründungen rein: in der Jugendsubkultur der „Indianerszene“. 1984 heiratete er Christiane, die Tochter seines geschätzten und pastoralen Mentors. Sie bekamen zwei Kinder.

Deutschland wurde wieder vereinigt und die Leitung von Michaels Gemeinde sprach ihn eines Tages an: „Du willst doch in die Mission, wir senden dich!“ Schon seit 1976 hatte Michael die Mongolei auf dem Herzen, wo zeitgleich mit dem Mauerfall in Deutschland aus einem sowjetischen Satellitenstaat eine Demokratie wurde. So reiste die Familie nach einem Sprachstudium in England 1992 als Missionare des Missionswerks WEC 8000 Kilometer gen Osten.

Von Deutschland in die Mongolei

Es ging nach Ulaanbaatar, Hauptstadt der Mongolei: damals 2,4 Millionen Einwohner, eine einzige christliche Gemeinde mit 100 Besuchern im ganzen Land. Innerhalb weniger Jahre nach dem politischen Wechsel in der Mongolei blühten die unterschiedlichsten Religionen im Land auf: Buddhismus, Schamanentum und auch das Christentum.

Michael erlebt mit, wie binnen weniger Jahre 45.000 Menschen in der Mongolei zum Glauben kommen und in seiner Gemeinde zweimal im Jahr 30 bis 40 Menschen auf einmal getauft werden. Diese Erweckung wird bis heute zur prägendsten Zeit für seinen Glauben und seine Theologie. War er doch ein analytischer Typ und charismatischen Elementen gegenüber skeptisch eingestellt, so erlebte er in der Mongolei, wie Menschen so dramatisch und prägnant zum Glauben kamen und ihr Leben von dieser Entscheidung radikal verändert wurde. „Bei Gott gibt es offensichtlich mehr, als ich geahnt habe“, erkennt er damals. In einem mittlerweile
schnell wachsenden Team von 20 Missionarinnen und Missionaren aus sechs Nationen von Korea bis Argentinien erlebte er eine extreme Spannbreite geistlicher Prägungen.

Michael lag es am Herzen, Leiter zu schulen, und so kehrte er 1995 nach Deutschland zurück, um an der Akademie für Weltmission im Master zu studieren. Im Lesesaal geschieht es eines Tages: Gott spricht ganz unmittelbar zu ihm und stellt in der Folge seine Theologie auf den Kopf. „Michael, warum schreibst du mir vor, wie ich wirken kann?“ Diese Frage fordert ihn heraus, seine bisherigen Vorstellungen davon, wie Gott durch seinen Heiligen Geist ins Leben von Menschen hineinwirkt, zu hinterfragen. Zurück in der Monoglei erlebt er, wie unterschiedlich und teils ungewohnt Gott die Erweckung vorantreibt. In den Folgejahren leitet Michael die theologische Ausbildungsstätte in der Mongolei. Jahre später fasst er es so zusammen: „Ich bin als Missionar in die Mongolei ausgereist und als Praktikant von Gottes Wirken zurückgekommen.“

Zurück in Deutschland

Das Missionswerk WEC ruft Ehepaar Strub zurück nach Deutschland, um hier Teil des Leitungsteams zu werden. Sie nehmen die Berufung an. Nach sechs Jahren zieht es Michael zurück in die Gemeindeebene, einmal mehr nach Berlin. Hier erlebte er eine mit US-amerikanischen Missionaren gemeinsam gestartete Gemeindegründungsarbeit, die schnell voranging und die binnen weniger Jahre neben den Brunchgottesdiensten durch Open Air Festivals mit hunderten Menschen in Kontakt kam. Als viele Mitarbeitende aus der Gründungszeit sich aus familiären Gründen zurückziehen mussten, führte das Michael mehr und mehr in Überforderung und zuletzt in eine Erschöpfung. In der christlichen Psychotherapieklinik de‘ignis lernt er, seine Grenzen zu akzeptieren und die nächste Dienstphase neu aus Gottes Hand zu nehmen. Im Gespräch mit dem Leiter der Arbeitsgemeinschaft evangelikaler Missionen (AEM e. V.) stößt er auf das Stellengesuch der Neukirchener Mission, die vor einer Phase der Umgestaltung steht und dafür einen Missionsleiter sucht. Trotz seinen mittlerweile 59 Lebensjahren beruft ihn die Neukirchener Mission mit großer Einheit und Michael zieht 2017 von Berlin ins niederrheinische Rayen mit 770 Einwohnern. Mit Fahrrad, Pferdekoppel und Milch vom Bauern fühlt er sich auf Anhieb wohl.

Bald begann ein Organisationsentwicklungsprozess, in dessen weiterem Verlauf sich auch die Leitung von Neukirchener und Allianz-Mission kennen und schätzen lernten. Ein gemeinsamer Weg beginnt, an dessen nächster Kreuzung die Verschmelzung beider Werke und für Michael einmal mehr ein neuer Arbeitsplatz im Leitungsteam der Allianz-Mission steht.

Im Rückblick bekennt Michael, dass er sich trotz reicher Erfahrungen mit Gott über Jahrzehnte immer wieder schwertut, den Kleinglauben an Gott abzugeben. Was ihn weiterhin bewegt, bis in den nicht mehr allzu fernen Ruhestand hinein: „dass das Evangelium läuft auf der Welt!“

Hier wohne ich mit meiner Frau Christiane: Rayen bei Neukirchen
So alt bin ich: 63
Meine liebste Freizeitbeschäftigung: Natur, Biken, Fahrrad, alles, was sich bewegt
Meine letzten Bücher: Abgesang des weißen Mannes / Pilgrims and Priests
Mein Job bei der Allianz-Mission: Teil des Leitungsteams der AM – Missiologie, Exploration, Recruiting
Bei der NM / Allianz-Mission seit: 2017 / 2021
Ich schätze an der Allianz-Mission: OE-Prozess gelingt besser, junges, größeres Team – es verändert sich einiges.
Steak oder Salat: Steak, medium
Ein Lebenstraum von mir: Segeln lernen, Teile der Welt sehen, die wir noch nicht kennen: Japan, Fernost, … Nach dem aktiven Dienst einen Ort zum Leben finden.
Manchmal kann ich nicht schlafen, wenn … schlafe halt sehr gut.
Jesus und ich: „Unterwegs mit dem el shaddai“ – dem, der ausreicht, der genügt, der versorgt.

Das Portrait schrieb Simon Diercks, Leiter Communication & Media

Dieser Artikel ist in unserem Magazin move (November 2021 – Januar 2022) erschienen.