Verletzliche Hoffnungsträger (?)

Verletzliche Hoffnungsträger (?)

Michael Strub macht sich auf eine biblische Entdeckungsreise, wie Verletzlichkeit und Hoffnung einander im Glauben begegnen und wie Gott seine Menschen veredelt.

Der Mensch wurde fragil geschaffen. Elohim – der Schöpfer des Makro- und Mikrokosmos, der Milchstraßen, Galaxien, schwarzen Löcher und dunklen Energien – schuf sich als sein Kleinod die Erde. Und als Krone darin die Menschenkinder1 als seine Ebenbilder. Sie sollten mit ihm leben und heranreifen dürfen.

Der Mensch wie eine Krone – kunstvoll, Schmuckstück, Würdezeichen. Kein Arbeitsgerät. Das war unser Status: fragil, aber geborgene Kinder des Schöpfers mit allem Potential, uns zum reifen Ebenbild zu entfalten.

Aufgrund echter Liebe waren wir mit Freiheit ausgestattet. Elohim hat sich mit unseren Herzen eine Selbstbeschränkung auferlegt: sie nicht zu zwingen; uns nicht zu Marionetten zu degradieren. Und so konnte die fatale Autonomie-Verleitung, sich selbstständig zu machen, unser Herz durchqueren. Nun finden wir uns als fragil ausgesetzte Menschen wieder. Fortan prägen uns Angst, Schutzbedürftigkeit, verfärbte Ewigkeitshoffnungen, Gottesverunsicherung, verlorene Ursprünglichkeit zu unserem Schöpfer. Dazu Entfremdung zur Schöpfung, Tieren und Mitmenschen, die sich mit dem Ringen um Überleben und irdischer Lebensbegrenzung multiplizieren. Denn auch die Schöpfung Erde unterliegt ihrerseits einer Bürde durch diese Verselbstständigung des Menschen2.

Wie steht es nun mit der Hoffnung?

Gott blieb Liebe, die alles erträgt, glaubt, hofft und erduldet3. In diesem liebenden Gott ist unsere Hoffnung begründet. Er stellt sich uns als JAHWE vor. Er zeigt zwar Mose nicht, WER er ist, aber WO er ist4: Er ist da, ist dabei, mit uns da-bei. Er geht bis zum Äußersten, kommt in unsere irdische Beschränkung als der Heilige in Jesus Christus5. Er setzt nicht auf unsere Rettungskapazitäten, sondern auf unser Herz. Dass es sich erreichen lässt von Gottes werbender Liebe, vom Ruf, heimzukommen, sich von ihm ziehen zu lassen6. Unsere Hoffnung begründet sich auf der Zusage seines Wortes, dass die Versuchungen unsere Kräfte nicht übersteigen7. Aber wir sollen sorgsam auf unser Herz achten8, denn unser Herz kann sich öffnen und retten lassen oder weiter selbstbestimmt leben wollen. Das meint Jesus mit Selbstverleugnung. Die konsequente Absage an eine Jahwe-abgewandte Autonomie9. Es geht nicht um Kasteiung unserer Bedürfnisse, Absage an geschöpfliche Freuden, berufliche Entwicklung oder unternehmerischen Elan. Wir sind doch Ebenbilder des Schöpfers!

Wie bleiben wir als Verletzliche in dieser Hoffnung? Der liebende Elohim und Jahwe gibt uns neben der wiedergewonnenen Liebesbeziehung mit ihm auch Schutz- und Hilfsquellen um in der Hoffnung zu reifen10:

  • Er erfüllt uns mit seinem Heiligen Geist, der uns Gewissheit, Trost und Hoffnung gibt11
  • Gott stellt uns in Gruppen Gleichberufener (nicht Gleichgesinnter), so wie in eine Familie, zu der wir uns treu halten sollen12
  • Er gibt uns Defensivwaffen13, die wir gegen den Feind14 gebrauchen lernen sollen
  • Er ermöglicht Rehabilitation15
  • Er gewährt Perspektivwechsel16
  • Er beauftragt Engel, damit wir das Ziel erreichen17
  • Er lockt mit Bildern der Vorfreude18

Wir stehen als verletzliche Hoffnungsträger in einer Tradition19. Paulus sagt: „Diesen Schatz tragen wir aber in zerbrechlichen Tongefäßen, wie wir es sind, damit deutlich wird, dass die alles überragende Kraft von Gott stammt und nicht von uns.“ (2. Kor 4,7)

In Japan gibt es die Kunst des „Kintsugi“, der Goldverklebung. Zerbrochene Gefäße, die erhalten werden sollen, werden nicht nur „geheilt“, sie werden durch Goldverklebung sogar noch wertvoller.

Wir sehen in kaputten Dingen und Menschen einen Wertverlust. Durch Jesus wird das umgekehrt! Er heilt nicht nur unsere Verletzlichkeit, er klebt mit Rettungs-Halt und veredelt uns durch sein Blut mit Ewigkeitswert. Hoffnung kann durch unsere Verletzlichkeit strahlen.

Michael Strub war Missionsleiter der Neukirchener Mission und ist Teil des Leitungsteams der Allianz-Mission mit den Schwerpunkten Missiologie, Research und Recruiting

Dieser Artikel ist in unserem Magazin move (Mai – Juli 2022) erschienen.

Fußnoten:

1 Ps. 115,16 | 2 Röm. 8,19-21 | 3 1.Kor. 13, 7 | 4 Ex. 3,14 | 5 Phil. 2,7-8 | 6 Jer. 31,3; 2.Kor. 5,20; Joh. 16,44 | 7 1.Kor. 10,13 | 8 Spr. 4.23 |
9 Lk. 9,23-25 | 10 Eph. 4,13 | 11 Röm. 8,16; Joh. 14,26; Röm. 5,2; und 8,24-26 | 12 Mt. 18,20; 1.Thess. 5,11; 1.Kor. 14,26 | 13 Eph. 6,13-17 | 14 1.Petr. 5,7 | 15 Mt. 11,28 | 16 2.Kor. 4,17-18 | 17 Hebr. 1,14 | 18 Joh. 14,2-3; Lk. 14,23ff; Mt. 26,29 | 19 1.Kor. 2,3-4