Endlich gemeinsam

Endlich gemeinsam

Ende des 19. Jahrhunderts brachen zwei Missionen auf. 2021 wird die Neukirchener Mission (NM) Teil der Allianz-Mission (AM). Ein Rückblick erklärt, wie der lange Weg dahin aussah und warum wir gemeinsam mehr erreichen können.

Begegnungen der Gründerzeit

1846 wurde der Pfarrerssohn Ludwig Doll in Kirchen an der Sieg geboren. Früh starb seine Mutter und er litt zeitlebens an Tuberkulose, die auch zu seinem frühen Tod im Jahre 1883 führte. Zum lebendigen Glauben kam er durch Leopold Bender – mit Hermann Heinrich Grafe und anderen Gründer des evangelischen Brüdervereins und später erster Pastor der Freien evangelischen Gemeinde in Köln. Nach dem Theologiestudium in Erlangen, Bonn, Tübingen wurde er zunächst Hilfsprediger unter dem Schweizer Pfarrer Andreas Bräm, der 1845 als Gründer den „Neukirchener Erziehungsverein“ ins Leben rief, und war dann ab 1871 als dessen Nachfolger Pfarrer der reformierten Gemeinde Neukirchen. Unter seiner Verkündigung und den Einflüssen der Erweckungsbewegung brach eine Erweckung aus, durch die viele Menschen am Niederrhein, im Siegerland und Hessen zum Glauben an Jesus Christus kamen. Durch den intensiven Kontakt mit Mitgliedern der im Entstehen begriffenen Freien evangelischen Gemeinden in Düsseldorf, Vluyn und Hörstgen kam es auch zu persönlichen Treffen mit Erweckungsprediger Pearsall Smith und Waisenhausgründer Georg Müller. Ludwig Doll wurde zum entschiedenen Vertreter der Anliegen der Evangelischen Allianz. Und gründete – überschattet von schwerer Krankheit – in seinen letzten Lebensjahren 1878 die Waisen- und Missionsanstalt Neukirchen sowie 1882 die Neukirchener Mission – ebenfalls bewusst den Werten der Evangelischen Allianz verpflichtet. Das Missionsseminar war dabei von Anfang an nicht nur als Ausbildungsstätte für Auslandsmissionare, sondern auch für Evangelisten im Inland konzipiert. Neukirchener Inlandsmissionare prägten als Prediger so auch die ersten Generationen Freier evangelischer Gemeinden in Hessen, am Niederrhein und in Waldeck sowie landeskirchliche Gemeinschaften im Sieger-, Wittgensteiner und Bentheimer Land.

Die Allianz-Mission entsteht

Nach mehrmonatiger Evangelisationstätigkeit des streitbaren Predigers Frederik Franson in Barmen kam es 1889 durch Heinrich Mandel – einen Inspektor der Neukirchener Mission – zur Begegnung von Franson mit Carl Polnick. Von dessen glühendem Aufruf zur Mission in China bewegt, gründete Polnick mit anderen den „Allianz-Mission-Verein“, ebenfalls ganz bewusst auf Basis der Werte der Evangelischen Allianz. Schon zu Gründungszeiten waren Mandel und Polnick im Gespräch. Warum die Allianz-Mission gegründet und nicht stattdessen Missionare der Neukirchener Mission nach China entsandt wurden, lässt sich heute aufgrund spärlicher Quellen nicht mehr mit Bestimmtheit sagen.

Der Bund FeG und die NM

Als die Freien evangelischen Gemeinden (FeG) sich 1911 zur Gründung einer eigenen Predigerschule in Wuppertal entschlossen, kam es immer wieder zu Gesprächen zwischen den Gründern Jakob Millard, Otto Schopf und Konrad Bussemer mit der Neukirchener Mission, ob denn nicht die „Ausbildung der Zöglinge“ durch die Neukirchener Mission erfolgen könne. 1923 wurde dieses Ansinnen von der Neukirchener Mission abgelehnt, die sich nicht konfessionell binden wollte.

Nach dem zweiten Weltkrieg wurde 1946 nochmals über eine Zusammenlegung des Predigerseminars der FeG mit dem Neukirchener Missionsseminars beraten. Trotz vieler wohlwollender Stimmen scheiterten auch diese Beratungen an der Frage der konfessionellen Bindung. Auch wieder aufgenommene Gespräche ab 1952 über eine engere Zusammenarbeit besonders in der Mission in Afrika führten zu keinem Konsens. Stattdessen ging Ende der fünfziger Jahre die Allianz-Mission eine enge Verbindung mit dem Bund FeG ein und die Verbindung zur Neukirchener Mission schwand.

Gemeinsam mehr erreichen?

Mit eben dieser damals noch „China-Allianz-Mission“ hatte die Neukirchener Mission von 1919 bis 1925 schon Gespräche über eine Fusion geführt, die aber ihrerseits an der Ablehnung der China-Missionare und der Schweizer Freunde der China-Allianz-Mission scheiterten. Was waren die zentralen Fragen, die mehrfach einen gemeinsamen Weg von Allianz-Mission, Bund FeG und Neukirchener Mission verhindert haben? Letztlich die jeweiligen Leitungspersonen, die sich – der damaligen Zeitprägung entsprechend – ihren konfessionellen Strukturen verpflichtet fühlten.

Endlich zusammen

Knapp ein Jahrhundert später: Bei einer Tagung 2020 kamen die Geschäftsführer von AM und NM ins Gespräch und erörterten die Frage nach einem gemeinsamen Weg – zunächst noch sehr lose als eine Möglichkeit. Es folgten Gespräche und Begegnungen der beiden Leiter sowie der Vorstände der Missionswerke. Von Anfang an wuchs Vertrauen und das gemeinsame Suchen nach Gottes Wegführung war zentraler Teil der Gespräche. Dabei waren drei Fragen leitend:

  • Passen wir zusammen?
  • Können wir gemeinsam mehr erreichen?
  • Ist es gut für das Reich Gottes?

Arbeitsgruppen wurden gebildet, die sich mit strategischen, strukturellen und kulturellen Fragen und Themen beschäftigten. In einer theologischen Arbeitsgruppe wurde festgestellt, dass die in früheren Zeiten trennenden theologischen Fragen, die einen Zusammenschluss verhinderten, heute so nicht mehr bestehen. Intensive Beratungen und Begegnungen von Leitenden, Missionarinnen und Missionaren sowie Mitarbeitenden beider Missionen folgten und die Mitgliederversammlungen in April und Juni 2021 stimmten mit deutlicher Mehrheit für eine Verschmelzung.

Warum gemeinsam?

Auf Seiten der Neukirchener Mission war es die breite Erkenntnis, dass es zukünftig für die Aufrechterhaltung und Entwicklung des Missionsdienstes einen neuen Rahmen braucht: ob für die Gewinnung neuer Mitarbeiter, eine administrative Verhältnismäßigkeit oder die sich veränderten Konditionen in der Entwicklungszusammenarbeit.

Für die Allianz-Mission ist die Weiterentwicklung von „Business for Transformation“ (deutsch: Unternehmertum für Veränderung) im Blick, wie auch die Erweiterung der Arbeit in Afrika als Zukunftskontinent […] So geht es nun gemeinsam weiter – mit dem gemeinsamen Wunsch und der gemeinsamen Vision: Menschen bewegen – Welt verändern.

Simon Diercks ist Leiter Communication & Media

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Dieser Artikel ist in unserem Magazin move (August – Oktober 2021) erschienen.