Die Gemeinde Jesu in der Ukraine – als Zufluchtsort und Hoffnungsträger

Die Gemeinde Jesu in der Ukraine – als Zufluchtsort und Hoffnungsträger

Albert Giesbrecht berichtet von seiner Ukraine-Reise

Seit Beginn des Krieges unterstützen wir, als Allianz-Mission, einige Gemeinden in der Ukraine.
Nachdem ich zwei Mal die West- und Nordukraine bereiste, war dieses Mal das Ziel, die Freien evangelischen Gemeinden in der Ostukraine zu besuchen, unsere Solidarität zum Ausdruck zu bringen und gemeinsam über weitere Unterstützung zu sprechen.

Gemeinsam mit Kis Dittmann (Baukoordinator für Baueinsätze) reisten wir über die rumänisch-ukrainische Grenze in die Ukraine ein. Zwei Mitarbeiter der „Grace-Gemeinde“ aus der westukrainischen Stadt Chernivtsi holten uns an der Grenze ab. Unterwegs berichteten sie uns von ihrem Einsatz im Cherson-Gebiet. Sie halfen den Menschen, die Häuser winterdicht zu machen. Fenster und Türen wurden repariert bzw. eingebaut und Dächer wieder in Ordnung gebracht. Dabei hörten sie Berichte von Zeugen über Grausamkeiten während der Besatzung. In einem Gefängnis fragten russische Soldaten die Gefangenen, ob sie bereit wären, mit ihnen gegen die Ukraine zu kämpfen. Als sie es verneinten, zwangen die Besatzer einen Baggerfahrer, eine Grube auszuheben, und begruben die Gefangenen beim lebendigen Leib. Ein etwa 16-jähriger Junge ging in der Stadt Cherson zum Fluss Dnjepr, um Wasser zu holen. Dabei wurde er von einem Scharfschützen vom anderen Ufer des Flusses getötet. Mit solchen und ähnlichen Erzählungen werden unsere Partner konfrontiert.

Gemeinden in der Westukraine als Zufluchtsort

Seit dem Kriegsbeginn nahm unsere Partner-Gemeinde in Chernivtsi bis zu 60 zum Teil traumatisierte Kriegsflüchtlinge auf und versorgte sie mit allem Nötigen. Viele wurden weiter zur Grenze gebraucht, um im Ausland Zuflucht zu finden. Anderen wurde inzwischen eine Wohnung vermittelt. Es ist ein Kommen und Gehen. Für die Gemeinde eine enorme Herausforderung, die viele menschliche und materielle Ressourcen fordert.

Die Gemeinde hatte schon vor dem Krieg vielfältig sozialschwache Familien und Kinderheime unterstützt und seit 2014 jedes Jahr behinderte Kinder aus dem Donbas für Erholung zu ihren Freizeiten eingeladen. Nun möchte die Gemeinde ein Freizeitzentrum in der Nähe der Stadt kaufen, das ihnen ermöglicht, die Freizeit- und Flüchtlingsarbeit auszubauen. Wir schauten uns das Zentrum an und möchten sie als Allianz-Mission beim Kauf unterstützen.

Ostukraine – Ängste, Sorgen und Kriegsmüdigkeit

Gemeinsam mit zwei Mitarbeitern der Gemeinde Chernivtsi besuchten wir die FeGs in Krywyi Rih, Charkiw, Dnipro und Kramatorsk, die teilweise nur 30 bis 40 Kilometer von der russischen Grenze bzw. Kriegsfront entfernt liegen. Inzwischen mehr als ein Jahr Krieg und Leid gehen nicht ohne Wirkung an den Menschen vor Ort vorbei. Viele kämpfen mit ihren Ängsten und machen sich Sorgen um ihre Zukunft. Kriegsmüdigkeit hat sich breit gemacht. Die Stimmung ist teilweise angespannt. Schließlich können jederzeit russische Raketen, Bomben und Drohnen einschlagen. In manchen Regionen der Ostukraine vergehen vom Abschuss der russischen Raketen bis zum Einschlag oftmals nur 30 Sekunden. Die Menschen haben keine Chance, sich in Sicherheit zu bringen, deshalb reagieren sie mittlerweile auch nicht mehr auf die Sirene.

Das Leben der Gemeinden ist stark im Umbruch

Haben die Gemeinden in der Ukraine vor dem Krieg einiges an Programm geboten – wie Gottesdienste, Kinder- und Jugendarbeit –, so hat sich das Leben radikal verändert. Aus den meisten Gemeinden ist der größte Teil der Mitglieder geflüchtet. Viele Pastoren übernahmen Verantwortung und halfen ihren Mitgliedern bei der Evakuierung. Mit den Christen, die geblieben sind, organisieren sie für die Bevölkerung Mahlzeiten, verteilen Kleidung und Medikamente. Dabei wird das Evangelium in verschiedenen Formen weitergegeben.

Auch der Umgang mit Leid und Tod hat sich verändert. Beerdigungen sind nun Alltag und Seelsorge umso wichtiger. Für Hauptamtliche sowie für die Gemeinde ist das eine riesige Herausforderung. Manche Pastoren besuchen die überfüllten Krankenhäuser, um mit den Verwundeten und Verstümmelten zu beten, ihnen beizustehen und Trost zu spenden. Einige Pastoren haben eine Zusatzausbildung als Militärpfarrer absolviert und leisten an der Front und in Garnisonen seelsorglichen und evangelistischen Dienst unter Soldaten.

Gottesdienste gestalten, um Menschen Hoffnung zu geben

Und gerade mitten in dieser dunkelsten Stunde des Landes sehen die Christen ihre besondere Aufgabe darin, den Menschen Hoffnung zu schenken. Denn diese Hoffnung werde dringend gebraucht. Dies tun die Teams der FeGs in ihrem Umfeld, so gut sie können. Z.B. der Pastor der Freien evangelischen Gemeinde in Kramatorsk – unweit der umkämpften Stadt Bachmut. Er ist vor Ort geblieben und bietet mittlerweile vier Gottesdienste an Wochenenden an. Im Saal der Berufsschule quetschen sich jedes Mal etwa 320 Leute, aktuell auch bei Innentemperaturen, die um den Gefrierpunkt liegen.

Sie bekommen dort auch Grundnahrungsmittel und Medikamente. Doch noch viel wichtiger ist es für das Team um den Pastor, dass die Menschen die Hoffnungsbotschaft hören. Etwa 900-1000 Menschen kommen an einem Wochenende dorthin. Die Gottesdienste werden so gestaltet, dass sie fröhlich sind, Christen wie Nicht-Christen können sich aufbauen lassen und auch mal lachen. Der Halt im Glauben ist für die Menschen vor Ort besonders relevant, weil der Tod ganz nah ist. Inzwischen haben sich schon 96 Menschen auf ihren Glauben hin taufen lassen und weitere sind zu erwarten.

Solidarität in den dunkelsten Stunden der Ukraine

Eines der wichtigsten Ziele für unsere Reise war, unseren Geschwistern in der Ukraine in diesen dunkelsten Stunden die Solidarität der Christen aus Deutschland zum Ausdruck zu bringen. Gerade mitten in den Herausforderungen des Alltags und ihren intensiven Dienste für die Menschen ist es für die Christen wichtig zu wissen: „Wir stehen an eurer Seite – Wir stehen an der Seite der Ukraine“. Dieses Symbol und das Signal zu setzen, war enorm wertvoll. Durch solche Besuche und die Solidarität, sowie konstante Unterstützung durch Gebet und Finanzen, bekommen die Christen in der Ukraine Kraft, weiterzumachen und ihren Alltag zu gestalten. In jeder Begegnung spiegelten die Christen ihre Dankbarkeit und Freude wider. Von einem Pastor bekamen wir den Zuspruch: „Euer Besuch war für unsere Herzen und Seelen wie ein Leopard 2“ – in Anspielung auf die deutschen Panzerlieferungen.

Was können wir  tun?

  1. Wir können für die Gemeinden beten! Wir sehen mitten im Krieg den „Kairos“ für das Evangelium! Es ist der Moment, wo Menschen nach echtem Halt und Hoffnung suchen und für das Evangelium offen sind. Deshalb lasst uns für die Pastoren und Gemeinden beten, dass sie Kraft haben weiterzumachen, um die vielen gemeindefremden Menschen mit dem Evangelium zu erreichen!
  2. Wir können Geld spenden, damit wir die evangelistische und humanitäre Arbeit der Gemeinden in der Ukraine weiter unterstützen können.
  3. Wir können beim Wiederaufbau der Ukraine helfen! Im Glauben an ein baldiges Kriegsende wollen wir jetzt die Zeit nutzen, um in Deutschland freiwillige Bauhelfer zu mobilisieren! Wir möchten Bauteams senden, um zu helfen, Gemeindegebäude und Häuser akut betroffener Familien aufzubauen. Hier können Sie sich eintragen: alz.ms/bauhelferukraine
  4. Beten Sie für Missionare und Pastoren für die Ostukraine!
  5. Beten Sie, dass christliche Unternehmer in die Ukraine investieren und Arbeitsplätze schaffen!

Albert Giesbrecht ist Bereichsleiter für Osteuropa