Digitale Formen von Mission erreichen heute Menschen, die auf keine andere Weise von Jesus hören würden. Wie das geschieht, über Chancen, Missverständnisse und echte Begegnung berichtet Simon Diercks, Leiter der Region Digital.
Tina* hat Gemeinde und christlichen Glauben hinter sich gelassen. Nach schweren Erfahrungen mit Christen und christlicher Gemeinde hat sie ihre Glaubenssätze und -praxis bis auf die Grundmauern dekonstruiert.
Alvaro ist atheistischer Ex-Muslim. Er hält all die Geschichten von Gott – sei es ein christlicher, muslimischer oder sonst einer – für „Harry-Potter-Geschichten“.
Sven* ist Gamer. Er hat mit christlichem Glauben nichts zu tun. Seine soziale Lebenswelt ist zu einem nicht unerheblichen Teil online in Computerspielwelten.
Siraj ist IT Spezialist, Sohn eines Muslims und einer Hindu und er ist sein Leben lang schon überzeugter Atheist.
Was haben die vier Personen gemeinsam? Menschen wie sie sind der Grund, warum es die Region Digital in der Allianz-Mission gibt. Sie sind allesamt durch digitale Formen von Mission erstmals oder wieder ganz neu zum Glauben an Jesus gekommen oder haben neue Schritte mit ihm gemacht.
Unerreichte online
Die Lausanner Bewegung, eine globale, überkonfessionelle Bewegung von Christen aus allen Ländern der Welt, hat kürzlich den „State of the Great Commission Report“ (deutsch: „Bericht zum Stand des Missionsbefehls“) veröffentlich. 150 Missionsexperten aus allen Ecken der Welt haben hier zusammengetragen, was die drängendsten Fragen sind, um die verbleibenden Lücken in globaler Mission auszufüllen. Die vergangenen Jahrzehnte haben gezeigt: Das Evangelium hat alle Länder dieser Welt irgendwie erreicht. Doch gibt es noch so viele „unreached people groups“ (deutsch: unerreichte Volksgruppen), denen das Evangelium von Jesus Christus noch nie in ihre Kultur und Sprache übersetzt vermittelt wurde.
So geht der Report zehn zentralen Fragen nach, deren Beantwortung die Mission der globalen Kirche bis 2050 prägen wird. Zwei dieser Fragen sind: „Was ist ein digitales Leben?“ und „Wie sieht geistlicher Dienst in einem digitalen Zeitalter aus?“ (Mehr dazu hier) Diese Fragen sind es auch, die uns als Allianz-Mission in der Region Digital beschäftigen.
Digitale Mission wird gebraucht, weil es in den digitalen Welten so viele echte Menschen gibt, die dem echten Gott noch nicht begegnet sind. Und digitale Mission hat Chancen, die analoge nicht hat: sie kann Menschen viel leichter mitten in ihrem Alltag begegnen und begleiten. Und sie kann – gut gemacht – mit viel geringeren Mitteln eine viel höhere Reichweite an Menschen von Gottes Liebe berichten.
Was es braucht: Mindset, Kultur, Ressourcen und Netzwerke
Damit digitale Formen von Mission ihren Platz in der Bandbreite dessen einnehmen können, wie christliche Mission heute global passiert, braucht es vor allem Vielerlei: ein Mindset (deutsch: Denkweise), das digitale Mission und digitale Missionarinnen und Missionare ernst nimmt, von ihnen lernt und sie an dem Erfahrungsschatz analoger Mission teilhaben lässt.
Es braucht eine Kultur in Organisationen, christlichen Gemeinden und Gemeinschaften, die nicht primär damit beschäftigt ist, die – sicherlich auch berechtigten – Anfragen zu stellen, was vom digitalen Leben den Menschen schadet. Stattdessen braucht es eine Kultur, die konsequent und nicht naiv nach den Chancen für Gottes Reich fragt – und das von sozialen Medien bis zu Künstlicher Intelligenz (sh. hier).
Was auch in digitaler Mission dringend gebraucht wird, sind Ressourcen: von Menschen, die sich haupt- oder ehrenamtlich in die digitale Mission rufen lassen, über Finanzen, digitale Infrastrukturen, Erfahrungsaustausch bis hin zur Grundlage aller christlichen Mission: viel Gebet. Zuletzt braucht es gute Netzwerke: Vorbei ist die Zeit, in der Gräben zwischen Konfessionen, Organisationen oder Christen unterschiedlicher Länder und Kulturen gegraben wurden. Heute gilt es, gemeinsam mehr zu erreichen.
Es gilt, von einem Netzwerk digitaler Gemeinden in den USA zu lernen. Von einem Evangelisationsmonat auf TikTok in Nigeria. Von KI-Initiativen der evangelischen Landeskirche ebenso wie dem Chatbot für Alltagsmissionare eines konservativen evangelikalen Missionswerkes. Von digitaler Jüngerschaft in Malaysia, Australien oder Bolivien.
Das größte Missverständnis
Der Einwand, den ich lange Zeit am meisten gegen digitale Formen von Mission gehört habe, ist: „Das ist doch nur digital und nicht real.“ Für immer mehr Menschen aller Generationen und das quer über den Globus finden immer größere Teile ihres Lebens online statt: von der Familien-WhatsApp-Gruppe über Homeoffice mit Videokonferenz, digitale Beziehungsanbahnung auf Tinder bis zu Freundeskreisen in Computerspielen und lebensprägenden Vorbildern auf Social Media. Zu meinen, das wäre alles nicht echt, ist das größte Missverständnis. Denn hinter jedem Display sitzt ein realer Mensch, der mit anderen realen Menschen und idealerweise auch mit dem realen Gott echte Begegnungen hat.
Echte Menschen begegnen online dem echten Gott
Tina hat in einer digitalen Gemeinde den Ort gefunden, wo sie sich getraut hat, behutsam neue Glaubensschritte zu gehen und die sie heute aktiv mitgestaltet.
Alvaro hat im Livechat auf TikTok das erste Mal ein Gebet zu Jesus gehört, hat erlebt, wie die Follower einer Online-Missionarin für ihn gebetet haben und ist Jesus danach im Traum begegnet. Seine Taufe kann man ebenfalls auf TikTok ansehen (mehr dazu hier).
Sven hat begonnen, die Bibel zu lesen, weil ihn der liebevolle Umgang eines Christen in seiner Online-Spielewelt beeindruckt hat.
Siraj hat begonnen, eine analoge Gemeinde zu besuchen und ist zum Glauben gekommen, weil er mit einem digitalen Chat-Roboter namens „AI Jesus“ geschrieben hat.
Weil es in Deutschland und global so viele „unreached people groups“ gibt, die nur einen Klick entfernt sind und weil Gott noch mehr Hoffnungsgeschichten wie die von Tina, Alvaro, Sven und Siraj schreiben möchte – deshalb braucht es digitale Mission.
Dabei sind wir als Allianz-Mission Lernende. Und gespannt, wie Gott in der Region Digital Menschen bewegen und die Welt verändern wird.
Simon Diercks ist Bereichsleiter Region Digital
Der Artikel ist in unserem Magazin move (August – Oktober 2024) erschienen.
*Namen geändert