Pulsschlag des Glaubens

Pulsschlag des Glaubens

Gebet als Pulsschlag des Glaubens und tiefer Verbindung zur Mission Gottes: Prof. Dr. Markus Iff zeigt, wie Gebet uns in der Gegenwart Gottes verwandelt und zur Quelle für Kraft und Mut in der Nachfolge Jesu wird.

Gebet ist der Pulsschlag christlichen Lebens. Es ist ein Anker, mit dem wir in der Gegenwart Gottes Halt finden und zugleich eine Quelle, aus der wir für unser tägliches Leben in der Nachfolge Jesu Christi Kraft und Mut schöpfen. Das Gebet ist aber auch der Knotenpunkt „aller Relationen des Menschseins“1, wie der evangelische Theologe Gerhard Ebeling formuliert hat. Wenn wir beten, sind wir in unserer Lebens- und Weltsituation der Mensch vor Gott. Wir öffnen uns ihm. Wir nehmen uns, unsere Mitmenschen, unsere Welt in seiner Gegenwart wahr. Das verändert unseren Blick und zeigt uns, wer wir sind: von Gott ins Leben gerufene, geliebte, angesprochene und beanspruchte Menschen.

Wir nehmen Gott im Gebet in Anspruch, weil er uns in Anspruch genommen hat – und immer wieder nimmt –, ihm unbedingt zu vertrauen. Er hat die Begegnung und den Wortwechsel mit uns eröffnet. Er hat uns seinen Namen, sein Wort und in Jesus Christus sich ganz offenbart. Dadurch gewinnt das Gebet eine vertrauensvolle Herzlichkeit. Sie prägt das Verhältnis und das Gespräch zwischen Gott, den Jesus im hohepriesterlichen Gebet „Heiliger Vater“ (Johannes 17,11) nennt, und uns begrenzten, sterblichen und fehlbaren Menschen.

In Lob und Dank, in Bitte und Klage richtet uns Beten auf und aus.

Die vertrauensvolle Herzlichkeit macht Beten zu einem Geschenk. In Lob und Dank, in Bitte und Klage richtet uns Beten auf und aus. Beten richtet uns auf, denn wir sind im Kontakt mit Gott, von dem der Beter in Psalm 94,9 sagt: „Der das Ohr gepflanzt hat, sollte der nicht hören? Der das Auge gemacht hat, sollte der nicht sehen?“ Das ermutigt uns, wie Friedrich Schleiermacher im Anschluss an das Gebet Jesu in Gethsemane eindrücklich formuliert hat, unsere „Wünsche über die wichtigsten Ereignisse des Lebens Gott dem Herrn im Gebet vorzutragen“2.

Zugleich richtet uns das Gebet auf das Evangelium Gottes von Jesus Christus aus (Römer 1,1-7). Wir nehmen seine Liebe zur Welt, seiner Schöpfung und seinen Geschöpfen wahr. Wir partizipieren an der Sendung Jesu Christi, seinem Dienst und der Leidenschaft des göttlichen Erbarmens – also an der missio Dei. Das ist die innere Verbindung von Gebet und Mission. Wir führen im Gebet einen Wortwechsel mit dem Gott, den es zur Welt und den Menschen zieht und dessen Sohn Jesus Christus uns zu beten lehrt: „Dein Reich komme, dein Wille geschehe, wie im Himmel, so auf Erden“ (Lukas 11,2). Der in Jesus Christus wirksam und sichtbar gewordene Wille Gottes aber ist, „dass allen Menschen geholfen werde und sie zur Erkenntnis der Wahrheit kommen“ (1. Timotheus 2,4).

Wir dürfen und sollen als Christen und Gemeinden Gott darauf ansprechen, dass er sich in Jesus Christus zum Heil der Welt und aller Menschen offenbart hat. Wir dürfen und sollen ihn bitten, dass sein Reich kommt, sein Wille geschieht und Menschen Jesus Christus vertrauen – dem menschgewordenen Wort und dem „Lamm Gottes, welches der Welt Sünde trägt“ (Johannes 1,29, Hebräer 1,3).

Das bitten wir nicht auf gut Glück, sondern im Namen Jesu, des Sohnes Gottes, der uns das vertrauensvolle Beten vorgelebt und uns gelehrt hat, in seinem Namen zu bitten (Johannes 14,13, Johannes 16,23). Gott lässt sich im Gebet etwas sagen, weil er sich uns mitgeteilt und die Gemeinschaft mit uns eröffnet hat. Darum sind unsere Gebete keine magischen Einwirkungsversuche auf Gott, sondern Ausdruck der vertrauensvollen Herzlichkeit, die durch Jesus Christus und im Heiligen Geistes zwischen Gott und uns besteht.

Prof. Dr. Markus Iff ist Professor für Systematische Theologie und Ökumenik an der Theologischen Hochschule Ewersbach

1 Gerhard Ebeling, Das Gebet, in: Wort und Glaube, Bd. 3: Beiträge zur Fundamentaltheologie, Soteriologie und Ekklesiologie, Tübingen 1975, 405-427, hier: 422.
2 Friedrich Schleiermacher, Die Kraft des Gebetes, in so fern es auf äußere Begebenheiten gerichtet ist (1801), in: Kleine Schriften und Predigten, Bd. 1: 1800-1820, hg. von H. Gerdes/E. Hirsch, Berlin/New York 1970, 167-178, hier: 170.

Prof. Dr. Markus Iff im Gespräch im Podcast

Der Artikel ist in unserem Magazin move (November 2024 – Februar 2025) erschienen.