Wie verfolgter Glaube wächst – Lektionen aus Südkorea und Zentralasien

Wie verfolgter Glaube wächst – Lektionen aus Südkorea und Zentralasien

Auf dem Lausanner Weltkongress sprachen die Delegierten über die Verfolgung von Christen weltweit. Viele leben selbst in Ländern mit eingeschränkter Religionsfreiheit – auch einer unserer Mitarbeitenden in Zentralasien.

Im Jahr 2010 war ich 26 Jahre alt und im dritten Jahr meiner Ehe. Meine Frau und ich freuten uns gerade über unseren neugeborenen ältesten Sohn, und es waren auch meine ersten drei Jahre als Pastor in einer Ortsgemeinde in unserer Stadt. Wie groß war meine Überraschung, als ich bereits zu diesem Zeitpunkt zur Teilnahme am dritten Lausanner Kongress für Weltevangelisation eingeladen wurde! Damals war ich mir der theologischen Bedeutung und des historischen Wertes dieses Kongresses für Weltmission nicht ganz bewusst. Aber später, als ich als einer von 4000 Delegierten aus 197 Ländern am Kongress in Kapstadt, Südafrika teilnahm, habe ich nicht nur die erstaunliche Atmosphäre der Vielfalt der weltweiten Kirche geschmeckt, sondern auch zum ersten Mal gespürt, dass ich nicht allein bin: Ich bin Teil des riesigen und universellen Leibes Jesu Christi, der eine Mission für diese Welt hat. Bis zum vierten Lausanner Weltkongress (L4) 2024 in Seoul, Südkorea, hätte ich nie gedacht, dass ich noch einmal auf solche Weise an der Zusammenarbeit der globalen Kirche teilnehmen würde.

Geschichte

Der erste Lausanner Kongress wurde 1974 auf Initiative von Billy Graham und John Stott in der Schweiz abgehalten. Dieser Kongress war ein wichtiges Ereignis in der Geschichte des evangelikalen Christentums und markierte den Beginn einer neuen weltweiten Bewegung in der christlichen Mission. 1989 wurde dann ein zweiter Lausanner Kongress in Manila abgehalten. Diese beiden historischen Kongresse vereinten die evangelikale Gemeinschaft um Jesus Missionsauftrag. Zudem stellten sie die Notwendigkeit der Evangelisierung unerreichter Volksgruppen (englisch: unreached people groups) und einer ganzheitlichen Mission, die Evangelisation und die soziale Verantwortung der Kirche einschließt, heraus. Der dritte Kongress (L3) in Kapstadt betonte die globalen Herausforderungen für die Mission im 21. Jahrhundert, einschließlich der Themen Verfolgung und Religionsfreiheit, Migration und Armut. L3 wies zudem darauf hin, wie wichtig es ist, moderne Technologien wie das Internet und soziale Medien zur Verbreitung des Evangeliums zu nutzen.

10/40 Fenster

Es ist wichtig, darauf hinzuweisen, dass es die Lausanner Kongresse waren, die das missiologische Konzept des 10/40-Fensters definierten, das die Missionsstrategie in der evangelikalen Gemeinschaft für viele Jahre prägte. Das 10/40-Fenster bezeichnet eografische Regionen, die am stärksten von Armut und sozioökonomischen Problemen betroffen sind. Hier haben die Menschen den geringsten Zugang zum Evangelium und zu christlichen Ressourcen.

Ungefähr zwei Drittel der Weltbevölkerung leben im 10/40 Fenster, die überwiegend muslimisch, hinduistisch, buddhistisch, animistisch oder atheistisch sind. Die Regierungen in den Ländern dieser Regionen schränken die Rechte und Freiheiten der Christen ein, sodass die örtlichen Kirchen einen halblegalen oder illegalen Status haben und Diskriminierung sowie Verfolgung ausgesetzt sind. Auch finden wir hier am häufigsten Christen, deren Leben aufgrund ihres Glaubens und ihrer Überzeugungen gefährdet ist.

Einschränkung der Freiheit, Verfolgung von Christen und Mission

Die Einschränkung der Religionsfreiheit und die Verfolgung von Christen stellen eine ernsthafte Herausforderung für die Mission und die Verbreitung des Evangeliums dar. Dies zeigt sich auch in Ländern Zentralasiens, die u. a. im Blickpunkt von L4 in Südkorea standen.

Auswirkungen auf die Missionsarbeit in Zentralasien

  1. Beschränkungen der öffentlichen Evangelisation:
    In Ländern Zentralasiens schränken strenge staatliche Vorschriften religiöse Versammlungen, öffentliche Evangelisation und religiöse Bildung stark ein. Kirchen und Missionare müssen sich an enge Vorgaben halten und vermeiden oft eine direkte öffentliche Arbeit. Dies zwingt zu einer Verlagerung von der traditionellen offenen Evangelisation hin zu eher privaten oder im Untergrund stattfindenden Ansätzen, wie z. B. kleinen Hausgruppen oder dem „stillen Zeugnis“ durch Sozialarbeit und Beziehungen.
  2. Erhöhte Gefahr der Verfolgung:
    Sowohl Einzelpersonen als auch Gemeinschaften, die sich in der christlichen Mission engagieren, sind einem erheblichen Verfolgungsrisiko ausgesetzt, das Geldstrafen, Demütigungen und sogar Gefängnis und Gewalt umfasst. In manchen Ländern Zentralasiens müssen sich religiöse Organisationen bei der Regierung registrieren lassen. Jede nicht registrierte religiöse Tätigkeit wird als illegal angesehen. Dies schafft eine Atmosphäre der Angst und schränkt die Reichweite und Ausbreitung lokaler Kirchen ein, da sie unter ständiger Überwachung arbeiten.
  3. Kreative und kontextabhängige Strategien:
    Als Antwort auf diese Herausforderungen erfordert die Missionsarbeit in restriktiven Kontexten oft kreative Ansätze. L4 betonte die Notwendigkeit kontextbezogener Strategien in Einsatzländern mit eingeschränkter Religionsfreiheit. Dazu gehören:
    • Business for Transformation (B4T): Nutzung von Unternehmen als Plattform für den Aufbau von Beziehungen und die Weitergabe des Glaubens, oft unter dem Deckmantel der wirtschaftlichen Entwicklung oder der Sozialarbeit.
    • Bildung und soziale Programme: Einige christliche Organisationen bieten Bildungs-, Gesundheits- oder andere soziale Dienste an, die Türen für Beziehungen öffnen und es ermöglichen, den Glauben indirekt weiterzugeben.
    • Digitale Mission: Mit der zunehmenden Einschränkung physischer Versammlungen wird die Nutzung von Online-Plattformen für die Weitergabe des Evangeliumsund die Anleitung von Jüngern immer wichtiger.

Einblicke von L4

  1. Die Bedeutung des Leidens und der Widerstandsfähigkeit:
    Die Kirche kann in begrenzten Kontexten wie unserem aus der Heiligen Schrift und der Gemeinschaft untereinander Kraft schöpfen. Verfolgung, auch wenn sie eine große Herausforderung darstellt, war in der Vergangenheit ein Katalysator für das Wachstum der christlichen Gemeinschaften. Die Lausanner Bewegung ermutigt die Christen in diesen Umfeldern, Widerstandskraft zu entwickeln. Wir dürfen Verfolgung als Chance sehen für geistliches Wachstum und eine vertiefte Beziehung zu Jesus sowie die Ausweitung der Mission auf kreative, unkonventionelle Weise.
  2. Die Rolle der Weltkirche bei Fürsprache und Unterstützung:
    Die globale Kirche trägt Verantwortung, sich mit verfolgten Christen zu solidarisieren. Dies schließt ein:
    • Fürsprache für die Religionsfreiheit: Druck auf Regierungen und internationale Organisationen ausüben, damit diese die Religionsfreiheit anerkennen und schützen.
    • Gebet, finanzielle und entwicklungspolitische Unterstützung:
      Die weltweite christliche Gemeinschaft kann lebenswichtige Ressourcen zur Verfügung stellen, um die Missionsarbeit in Ländern mit beschränktem Zugang zu unterstützen. Das umschließt humanitäre Hilfe, rechtliche Unterstützung und der Bereitstellung von Bibeln und Schulungsmaterial sowie alle Arten von Entwicklungsprojekten, die auf die persönliche Entwicklung, die Entwicklung der Gemeinschaft und die ganzheitliche Umgestaltung der Gesellschaft abzielen.
  3. Fokus auf Jüngerschaft und langfristige Beziehungen:
    In Kontexten mit eingeschränkter Religionsfreiheit verlagern sich die Missionsbemühungen oft von groß angelegten Evangelisationskampagnen auf persönliche, langfristige Jüngerschaftsbeziehungen. Bei L4 betonten die Verantwortlichen, dass der nachhaltigste Weg, die Kirche unter Verfolgung wachsen zu lassen, in einer tiefen, persönlichen Betreuung und Ausrüstung von Gläubigen liegt, die ihrerseits andere in Kleingruppen zu Jüngern machen können.
  4. Beruf und Arbeit als Feld für Mission und persönliches Zeugnis:
    Es gilt eine gesunde christliche Arbeitsethik in den örtlichen Kirchen und Gemeinschaften zu entwickeln. Gottes Mission im Kontext verfolgter Länder kann erreicht werden, wenn Christen beginnen, ihren Beruf und ihre Arbeit als einen Bereich zu betrachten, in dem Gott Menschen retten kann.

Allianz-Mission und das 10/40-Fenster

Die Allianz-Mission (AM) arbeitet seit vielen Jahren daran, Jesus Missionsauftrag in Regionen zu erfüllen, in denen Christen unterdrückt und verfolgt werden. Seit Anfang der 1990er-Jahre arbeitet die AM in Zentralasien in einem der am schwierigsten mit dem Evangelium zu erreichende Länder. In Ländern, in denen über 95 % der Bevölkerung Muslime sind, wird die christliche Mission durch Gesetze behindert, die religiöse Aktivitäten einschränken. Nur staatlich genehmigter Religionsunterricht ist bei uns erlaubt, und missionarische Arbeit wird feindselig betrachtet.

Trotz dieser Einschränkungen führt die AM in Zentralasien Projekte zur ganzheitlichen Entwicklung der Gesellschaft und der Kirche durch, investiert in die geistliche und weltliche Bildung der neuen Generation, fördert die soziale Gerechtigkeit und bekämpft Ungleichheit und Gewalt. Auf diese Weise arbeiten wir konzeptionell daran, dass die Gute Nachricht allen Menschen Befreiung, Heilung und Erlösung bringen kann.

Alle Lausanner Kongresse, einschließlich des 4. Lausanner Kongresses, erkennen an, dass eingeschränkte Religionsfreiheit und Verfolgung eine besondere Herausforderung für die christliche Mission darstellen. Die Erfahrungen der AM, ihrer lokalen Partner und der Gemeinden in Zentralasien zeigen: Durch die Förderung der Widerstandsfähigkeit sowie kreativer Strategien und den Aufruf zu globaler Unterstützung kann die Mission Gottes unter schwierigen Umständen trotzdem weiter bestehen und sogar wachsen.

Unser Mitarbeiter ist Missionar in einem Land in Zentralasien

Der Artikel ist in unserem Magazin move (Februar – April 2025) erschienen.