Geteilte Verantwortung – Raus aus schädlichen Abhängigkeiten

Geteilte Verantwortung – Raus aus schädlichen Abhängigkeiten

Wenn Mission längst „von überall nach überall“ stattfindet, muss das auch für die Finanzen gelten. Wie das gelingen kann, erklärt Fundraising-Beraterin Redina Kolaneci im Interview mit unserem Fundraiser Felix Wiegner.

Seit über 30 Jahren berät Redina Kolaneci christliche Organisationen und Gemeinden in Europa im Bereich Fundraising. Durch ihr Engagement im Ministry Fundraising Network (dt. Fundraising-Netzwerk für geistlichen Dienst) der Lausanner Bewegung inspiriert und stärkt sie Missionsorganisationen und Führungskräfte weltweit.

Die Herangehensweise, Finanzen für Missionsarbeit zu sammeln, verändert sich und diese Veränderung ist nötig. Warum?

In den letzten 30 Jahren hat sich das Zentrum des Christentums in den globalen Süden verlagert. Bei der Mittelbeschaffung müssen wir künftig polyzentrisch, das heißt von überall nach überall, vorgehen und Ressourcen über nationale und kulturelle Grenzen hinweg gemeinsam nutzen. In der Vergangenheit flossen Missionsgelder und Mitarbeiter aus dem globalen Norden in den globalen Süden. Die sogenannte „polyzentrische Ressourcenmobilisierung“ (pRM) ist ein Finanzierungsansatz für eine Mission, die mehrere Zentren von Leitung, des Gebens und des Sendens anerkennt.

Welchen Vorteil bringt ein solches Modell mit sich?

Das frühere Finanzierungsmodell („Vom Westen in den Rest der Welt“) hat im Globalen Süden oft schädliche Abhängigkeiten geschaffen. Das polyzentrische Finanzierungsmodell ermutigt die Gläubigen vor Ort, Verantwortung zu übernehmen. Es fördert die gegenseitige Unterstützung: Westliche Kirchen sollten zwar immer noch spenden, aber in einer Weise, die die Ortskirchen im Ausland befähigt: Es fängt damit an, dass wir einander als gleichwertig sehen. Wenn wir wirklich Zusammenarbeit und Partnerschaften wollen, müssen wir offen dafür sein, davon zu lernen, wie die Arbeit in anderen Teilen der Welt abläuft. Echte Zusammenarbeit bedeutet, gemeinsam Modelle für die Mittelbeschaffung zu entwickeln, die vor Ort funktionieren und bei denen alle Missionspartner einen finanziellen und geistlichen Beitrag leisten.

Was sind deiner Meinung nach die größten Herausforderungen, vor denen wir heute bei der Finanzierung der geistlichen Arbeiten stehen?

Ich denke, eine der größten Herausforderungen ist, dass unsere Kirchen im Allgemeinen kleiner und älter werden. In der Vergangenheit wuchsen die Kirchenmitglieder oft in christlichen Elternhäusern auf, in denen das Geben als Teil des Glaubens verstanden wurde. Die Herausforderung besteht darin, sicherzustellen, dass künftige Generationen diesen Geist der Großzügigkeit fortsetzen. Die Rolle der Kirche muss sich also dahingehend verlagern, dass sie die Gläubigen bewusst lehrt und inspiriert, großzügig zu sein.

Was gibt dir Hoffnung, wenn du an die Zukunft (und Finanzierung) der Mission denkst?

Mir gibt Hoffnung, dass es im globalen Süden blühende Kirchen und Werke gibt, die Eigenverantwortung in der Mission übernehmen. Ich beobachte einen Wandel hin zu einem biblischen Modell der Missionsfinanzierung, wo wir als Gemeinschaft einer vom anderen abhängig sind, statt dass nur einer der Empfangende ist. Je mehr wir darüber sprechen, desto mehr Leiter werden inspiriert, sich dieser Bewegung anzuschließen.

Hast du Beispiele für die finanzielle Beteiligung an Mission?

In Mizoram, Indien, sieht man, wie großzügig die Kirche (seit über hundert Jahren) Mission unterstützt. Familien legen dort jeden Monat Geld beiseite, verkaufen Eier, kochen Marmelade, backen Brot – kreative Wege der Missionsfinanzierung. Es sind normale Menschen mit sehr wenig Geld, aber Gott vervielfacht das, was sie geben. Immer mehr christliche Unternehmer gründen Unternehmen und verwenden ihre Gewinne für die Mission. „Soma Biblia“, ein von Tansaniern geführter christlicher Buchladen und Verlagsdienst reinvestiert seine Gewinne in die Arbeit für das Reich Gottes.

Was ist die biblische Grundlage für diese Überlegungen?

Das biblische Vorbild dafür findet sich in Apostelgeschichte 11,29-30, wo die heidenchristliche Gemeinde in Antiochia den Gläubigen in Judäa Hilfsgüter schickte. Dies kehrte den traditionellen Ressourcenfluss um und zeigte, dass Missionsunterstützung in mehrere Richtungen gehen kann.

In Offenbarung 7,9 sehe ich die ultimative Vision der Mission: eine weltweite Familie, die gemeinsam Gott anbetet. Dazu gehören Menschen, die geben, Menschen, die empfangen, und Menschen, die senden. Wenn wir unsere Fundraising-Bemühungen an dieser Vision ausrichten, können wir die Missionsfinanzierung nachhaltiger, gerechter und wirkungsvoller für die ganze Welt gestalten.

Vielen Dank, dass du uns hier mit hineingenommen hast.

Das Interview führte Felix Wiegner, Leiter Fundraising

Das ganze Gespräch im Podcast

Der Artikel ist in unserem Magazin move (Mai – Juli 2025) erschienen.