Zwischen Gier und Großzügigkeit

Zwischen Gier und Großzügigkeit

Geld ist immer wieder ein schwieriges Thema. Felix Wiegners Aufgabe ist es, um Spenden für die Allianz-Mission zu werben. Er stellt fest: Geld muss kein schweres Thema sein – Spenden ist Lobpreis.

Ein kleines Quiz gefällig? Als Leser einer Missionszeitschrift sind Sie bestimmt bibelfest. Überlegen Sie doch mal, ob sie den folgenden Aussagen zustimmen würden:

  • Glauben Sie daran, dass manchmal auch Tiere sprechen können?
    Nun, es steht zumindest in der Bibel: Schauen Sie mal nach der sprechenden Schlange in Genesis 3 oder dem sprechenden Esel in 4. Mose 22.
  • Glauben Sie an Drachen?
    Ja, genau. Auch das ist biblisch belegt, zum Beispiel in Daniel 14 oder der Offenbarung.
  • Bezeugt die Bibel die Existenz von dämonisch besessenen suizidalen Schweinen?
    Richtig, auch das ist korrekt – Lukas 8!
  • Letzte Frage: Stimmt es, dass man all sein Hab und Gut verkaufen und den Armen spenden muss, damit man das ewige Leben bekommt?
    Nein? Natürlich nicht! Wir wissen natürlich, dass allein und vollumfänglich der Glaube an Jesus das ewige Leben ermöglicht. Aber es steht so in Markus 10 und Matthäus.

In beiden Erzählungen vom reichen Jüngling erklärt Jesus, dass dies Voraussetzung dafür ist, ewiges Leben zu erhalten. So wundert es nicht, dass es in der Kirchengeschichte und bis heute immer wieder Befürworter eines radikalen Besitzverzichts gab.

Was ich mit diesem kleinen Gedankenexperiment verdeutlichen möchte: Es gibt gerade zum Thema Geld und Besitz viele unterschiedliche und teilweise auch extreme Meinungen. Manchmal verstehen wir das Verhalten unserer Partner in den Einsatzländern nicht. So beobachte ich, dass sich in manchen Kontexten Menschen bekehren, um eine Anstellung oder andere Hilfe zu erhalten. Das liegt daran, dass ihnen 200 Jahre lang beigebracht wurde, es funktioniere so. Wirst du Christ, geht es dir wirtschaftlich besser. Dass das Wohlstandsevangelium in Afrika so gut Fuß gefasst hat, liegt aus meiner Sicht gegebenenfalls auch mit daran.

Je nach Prägung und auch gemeindlichem Hintergrund wird Reichtum entweder als Segen, Gefahr oder Sünde interpretiert. Richtig spannend wird es gerade im Kontext von Mission und Gemeinde. Beide stehen als spendenempfangende Organisationen im Spannungsfeld von Gier (dem als zu forsch empfundenen Fragen nach Spenden) und Großzügigkeit (darf man als Missionar Urlaub machen?) – ebenso wie die Spenderinnen und Spender selbst und die Partner in den Ländern. In meinem Beruf als Fundraiser und im Austausch mit Pastorinnen und Pastoren fällt mir auf, dass wir in Gemeinden selten über dieses Thema sprechen – aus ganz unterschiedlichen Gründen. Ich möchte daher heute zwei Perspektiven zum Umgang mit Geld in den Polen von Gier und Großzügigkeit betrachten:

1. Kein Thema der Not, sondern des Lobpreises!

Oft wird, egal ob von der Kanzel oder im Rundbrief, erst dann über Geld gesprochen, wenn es fehlt. Dies hat viele (sicherlich auch berechtigte) Gründe. Zum Beispiel die schambehaftete Abhängigkeit Hauptamtlicher von Spenden oder die verbreitete Haltung: „Man spricht nicht über Geld, man hat es nur.“

In der Missionsarbeit wird auch oft defizitär von Geld gesprochen: Immer fehlt es den Partnern, wir sollen mehr machen, mehr Geld senden. Stattdessen versuchen wir, weniger Geld zu senden, verringern langsam die finanzielle Unterstützung, um die Partner in Selbstständigkeit zu führen. Gelingt es dann vor Ort nicht, selbst Mittel zu sammeln, wird manches mal ein anderer Geldgeber im Westen gesucht, der einspringt.

Sowohl in unseren Gemeinden als auch persönlich würde uns eine ehrliche Bestandsaufnahme und ein Perspektivwechsel guttun. Mit welcher Herzenshaltung spende ich? Weil ich eine akute Not lindern möchte, mich gedrängt, gegebenenfalls sogar verpflichtet fühle? Oder ist es Ausdruck der Dankbarkeit, dass ich selbst reich beschenkt bin und gerne weitergebe? Ist es nicht Lobpreis, wenn ich anerkenne, dass alles, was ich habe, von Gott kommt (siehe Haggai 2,8) und ich es ihm wieder zur Verfügung stelle? Für Gemeinde, Dienst an den Armen und seine Mission? Und in Zukunft stellt sich auch die Frage: Mit welcher Haltung empfangen wir hier im Westen z. B. Missionarinnen und Missionare? Was können wir jetzt schon im Geben einüben, damit wir es später im Empfangen beherrschen?

Ganz praktisch zur Herzenshaltung: Wie feiern wir die Kollekte im Gottesdienst? Nebenbei, während ein Lied läuft – als Lückenfüller zwischen Infos und Predigt? Feiern wir die Möglichkeit zu geben oder ist es eine Pflichtübung? Paulus beschreibt gegenüber den Korinthern die Gemeinden in Mazedonien als Vorbilder im Geben: Trotz ihrer schweren Lage sind sie – in ihrer Spendensammlung – voller Freude (2. Korinther 8,1-5).

Lasst uns Spenden als Form des Lobpreises betrachten – und nicht erst darüber sprechen, wenn die Heizung im Gemeindehaus streikt oder dem Missionar das Geld fehlt. Davon würden alle profitieren: diejenigen, die mit Lobpreis geben und diejenigen, die mit Dank empfangen.

Hier gilt es, auch im Fundraising eine neue Sichtweise einzuüben, die ich auf der Lausanner Weltkonferenz im vergangenen Jahr inspirierend empfand: Man bittet nur um Spenden, wenn man davon überzeugt ist, dass es für die Jesusbeziehung des anderen gut ist zu geben. Das behält den Prozess der Jüngerschaft des anderen im Blick und macht Fundraising zu einem Nehmen und Geben in Liebe.

2. Großzügigkeit ist Wesensteil Gottes

Manchmal frage ich in Gemeinden oder Einzelgesprächen als Fundraiser mein Gegenüber, welchen Bibelvers zum Thema ‚Geben‘ es für meinen Favoriten hält. Und nein, es ist nicht 2. Korinther 9,7 („Einen freudigen Geber hat Gott lieb!“). Stattdessen ist es Johannes 3,16. „Denn so sehr hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen einzigen Sohn gab, damit alle, die an ihn glauben, nicht verloren gehen, sondern das ewige Leben haben“.

Mich fasziniert es immer wieder beim Lesen der Bibel, wie unfassbar großzügig Gott ist. Von Genesis bis zur Offenbarung wird die geradezu verschwenderische Großzügigkeit Gottes immer wieder dargestellt.

Für mich bedeutet dies, dass meine eigene Großzügigkeit nicht nur eine Tugend ist. Wie Pünktlichkeit, die je nach Kultur einen anderen Stellenwert besitzt (oder ehrlicherweise: niedrigeren Stellenwert besitzt, was ich als Deutscher im internationalen Kontext immer wieder feststelle). Stattdessen spiegelt meine eigene Großzügigkeit etwas von Gottes Wesen wider. Und in jeder Kultur wird – manchmal für unsere westlichen Augen verborgen, manchmal überdeutlich und beschämend – Großzügigkeit praktiziert. Ich bin davon überzeugt: Spendet ein Christ für Gemeinde oder Mission, dann oft aus dem Wunsch heraus, mehr so zu sein, wie Jesus selbst ist.

Kennen Sie das aus Ihrem Leben? Wenn man selbst, zum Beispiel in einer Freundschaft, Großzügigkeit erfahren hat, ist man fast automatisch selbst großzügiger. Großzügigkeit steckt an. Es ist die Freude darüber, wie mit einem umgegangen wird, die es einem selbst so einfach macht, großzügig mit seiner Zeit, seinem Besitz oder seinen finanziellen Ressourcen zu sein. In der Mission oder auch in Gemeinden ist das schon schwieriger. Hier gilt es die Balance zu halten. Denn lädt man zu einem Gemeindemitarbeiterfest oder Missionsabend ein und am Ende bleiben noch viele Würstchen ungegessen übrig, steht schnell der Vorwurf der schlechten Haushalterschaft von Spendengeldern im Raum. Zurecht, natürlich! Verantwortungsvoll mit dem umgehen, was uns anvertraut wurde, ist für jedes Werk, das von Spenden lebt, essenziell und biblisch geboten.

Ich möchte aber zusätzlich fragen: Wir alle sind als Christen lediglich temporäre Verwalter von Besitz, der uns von Gott geschenkt wurde. Legen wir hier dieselben Maßstäbe an? Und wie ist es mit Gottes eigener, übergroßer Großzügigkeit, die uns Tag für Tag widerfährt? Mich spornt diese Großzügigkeit an, selbst großzügiger zu leben und auch dankbarer für alles Empfangen, aber auch die Möglichkeit des Gebens zu sein.

Über das Spannungsfeld hinaus

Für die Zukunft unserer Gemeinden und auch der Missionsarbeit wünsche ich mir zum einen, dass wir alle zusammen häufiger, ehrlicher und als Teil unserer Jüngerschaft über Geld und Besitz sprechen. Und zum anderen, dass wir ergriffen und bewegt von Gottes Großzügigkeit zu einem Lebensstil der eigenen Großzügigkeit finden. Als letztes Gedankenspiel: Stellen Sie sich einmal ihre Stadt oder Dorf vor, in dem eines Tages die Christinnen und Christen dafür bekannt sind, das meiste Trinkgeld zu geben und sich zuerst zu melden, wenn ehrenamtliche Helfer für die Blutspende gesucht werden. Wem dient das mehr – dem Ort oder den Christen?

Felix Wiegner ist Fundraiser

Der Artikel ist in unserem Magazin move (Mai – Juli 2025) erschienen.