100 km gehen für Geita – Entdeckungen über Jüngerschaft

100 km gehen für Geita – Entdeckungen über Jüngerschaft

Simon Diercks wandert 100 km. Am Stück. Damit Menschen in Tansania keine 100 km zum nächsten Arzt laufen müssen. Und lernt unterwegs wichtige Lektionen zu Jüngerschaft.

Verrückte, die Dich herausfordern

Es begann damit, dass ich zwei Männer kennenlernte, die von einer verrückten Idee begeistert waren: dem Mega-Marsch. 100 km in 24 Stunden wandern. Am Stück – ohne Schlaf und große Pausen. Ich traf sie bei einem Leitercamp einer jungen Gemeindegründung in Mönchengladbach. Sie hatten diese Idee zu ihrem Business-Modell gemacht und boten wander-begeisterten Verrückten wie mir die ultimative Challenge. Was mich entflammte, war ihre Begeisterung für diese Herausforderung, ihre Kompetenz, mit der sie mir alle Fragen dazu beantworten konnten, und ihre konkrete Einladung, einer von diesen 1000 Verrückten zu sein, die sich gemeinsam auf den Weg machen wollten.

Wie beim MegaMarsch beginnt der Weg auch als Jünger Jesu damit, dass jemand davon begeistert ist und Rede und Antwort steht, wie der Weg aussieht. Und persönlich einlädt, Teil dieser Weggemeinschaft namens Jüngerschaft zu sein. Jesus lädt ein: „Folgt mir nach. Ich mache Euch zu Menschenfischern“ (Markus 1,17). Die Angesprochenen folgen ihm und werden die ersten einer ganzen Bewegung.

Auch heute braucht es Menschen, die – begeistert vom Heiligen Geist – kompetent Rede und Antwort stehen und Menschen persönlich einladen, eine verrückte Entscheidung zu treffen: dem Mann aus Nazareth heute nachzufolgen und sein Jünger zu werden. Als Pastor habe ich erlebt, dass Menschen verrückt genug sind, sich von mir zu der Jesus-Wanderung Jüngerschaft einladen zu lassen.

Gut ausgerüstet auf die Strecke

100 km sind kein Spaziergang. Man sollte um den eigenen Körper und die nötige Ausrüstung wissen. Die falschen Schuhe, ein leerer Akku im Navigationsgerät odernicht durchdachte Wegzehrung werden jedem noch so ambitionierten Wanderer schnell sein Limit zeigen. So brachen viele der Starter beim MegaMarsch bereits nach den ersten vier Stunden und 20 km mit blutigen Füßen, verirrt fernab der Strecke oder mit Krämpfen den Marsch ab.

Auch für den Lebensmarsch der Jüngerschaft gilt, um die rechte Ausrüstung zu wissen und diese auch einsetzen zu können. Als göttliche Grundausstattung gibt Gott jedem den Heiligen Geist mit, ein in Präzision und Weitblick wohl ungeschlagenes Navigationssystem. Aber auch um die eigenen Gaben und Begrenzungen zu wissen, ist essentiell. Manch ein begeisterter Gotteswanderer hat nie gelernt, die Navigationsanweisungen des Heiligen Geistes zu lesen und sich in Tätigkeiten blutig gelaufen, für die er oder sie von den Gaben her gar nicht ausgerüstet war.

Fußpflege für Fortschreitende

Spätestens nach 40 km beginnt so eine Wanderung echt schmerzhaft zu werden. Musste ich feststellen. Um die Langstrecke zu bewältigen, braucht es also eine gute Selbstwahrnehmung und Verpflegungsstationen. Wer einsetzende Schmerzen einfach ignoriert und nicht mal Halt macht, um die Füße zu inspizieren, der bleibt spätestens mit der dritten Lage Blasen auf der Strecke. Wer, wenn er lange kein Wegzeichen mehr gesehen hat, einfach weiter drauflosläuft, kommt wahrscheinlich nicht am gewünschten Ziel an. Wer meint, dass er keine Verpflegungsstation braucht, wird nicht durchhalten.

Von Jesus wird berichtet, dass er seine Jünger zu solch einer Auszeit ermutigte: „Kommt jetzt mit, ihr allein! Wir suchen einen ruhigen Platz, damit ihr euch ausruhen könnt“ (Markus 6,31). Jesus macht damit einen Rhythmus sichtbar, den Gott schon von der Schöpfung an vorgegeben hat: sechs Tage wandern, einen ruhen. Ein Rhythmus, der sich tief in den Rhythmen seines Volkes Israel verwurzelt findet: von Sabbattag bis Sabbatjahr (vgl. 3. Mose 25).

Als Pastor gehörte für mich ein monatlicher Sabbattag mit Gott in der Natur ebenso zu meinem Dienst wie tägliche Gebetszeiten oder das Auftanken beim monatlichen Herrnmahl.

Jesus zeigt sich seinen Jüngern als einer, der Fußpflege zu seinem höchst eigenen Anliegen macht (siehe Johannes 13). Durch die Gemeinschaft mit ihm und den Jüngern um mich herum werde ich wieder ausgerüstet für die nächste Wegetappe.

Jüngerschaft ist kein Solo-Sport

An sich wandere ich gerne alleine und habe das auch die ersten 50 km meines MegaMarschs getan. Aber mit zunehmenden Schmerzen und einsetzender Dämmerung suchte ich mir immer wieder Weggefährten, die – mal für eine halbe Stunde, mal für dutzende Kilometer – mit mir den Weg und das ein oder andere Gespräch teilten. Nur ist es gar nicht so einfach, einen Weggefährten mit meiner Schrittlänge zu finden.

Für mich waren Weggefährten auf meinem Weg in der Jüngerschaft überlebensnotwendig. Wo wäre ich ohne Jugendfreunde, mit denen wir uns gegenseitig im Glauben herausgefordert und alles von Gott erwartet haben? Ohne Hauskreise, in denen ich Fragen und Erlebnisse mit Jesus diskutieren konnte? Ohne Mentoren, die mich als Dienstanfänger im Pastorendienst beraten haben und nun auch in der Öffentlichkeitsarbeit für Gott begleiten? Ohne sie alle wäre ich wohl heute kein Jünger mehr und auf der Strecke geblieben. Danke Euch allen: danke Michi und Daniel, danke Dirk und meiner Sofagruppe, danke Christof und Theo.

Gelassen mit Fehltritten umgehen

Bei 120.000 Schritten geht man auch schon mal ein paar Hundert in die falsche Richtung. Da stolpert man auch mal. Da ist nicht jeder Schritt ideal. Mitten in Wald und Nacht festzustellen, dass der angepeilte Weg auf einmal endet und es nur zurück geht, das frustet. Aber auf die ganze Strecke fällt das nicht ins Gewicht.

Jesu Muster-Gebet, das Unser-Vater-Gebet, erinnert alle Jünger daran, dass Fehltritte zu ihrem Weg dazugehören: „Vergib uns unsere Schuld, wie auch wir allen vergeben haben, die an uns schuldig geworden sind.“ (Matthäus 6,12)

In der Jüngerschaft gilt es, gleichermaßen ehrlich wie gelassen mit eigenen und fremden Fehltritten umzugehen: ansprechen, Gott und Menschen um Vergebung bitten und weiter auf dem Weg.

Durch die lange Nacht

Ein Marsch über 100 km ist imWesentlichen eine mentale Leistung. Das spüre ich im Verlauf der herbstlichen Nacht während zwölf Stunden Finsternis: Kälte und Erschöpfung, aber auch der auf einen kleinen Lichtkegel begrenzte Blickwinkel und die so bedingte Ungewissheit, wie der Weg weitergeht. All das zehrt an mir. Aber die Nacht, die Finsternis, die Kälte gehören zum Weg dazu.

Was Johannes vom Kreuz, einer der bekanntesten Mystiker des Christentums, in neun Monaten in einem lichtlosen Kerker gefangen erlebt und was als die „Dunkle Nacht der Seele“ in die Kirchengeschichte und Glaubensliteratur eingeht, wird auf kurz oder lang den allermeisten Jüngerschaftswanderern widerfahren. Eine Lebensphase, die durch Krankheit, Leid oder Glaubenszweifel alle Kraft entzieht und als „horror vacui“ erlebt wird: als Schrecken innerer Leere. Ich stelle mir vor, wie Jesu erste Jünger solch eine Nacht nach seinem Tod durchlebten: „Die Jünger waren beisammen und hatten aus Angst vor den führenden Juden die Türen abgeschlossen.“ (Johannes 20,19)

Wer solch eine dunkle Nacht selber durchwandert, braucht gute Weggefährten und immer wieder die Erinnerung, dass Gott auch in dieser Finsternis mitgeht undeinen neuen Morgen schenkt. Für mich waren es zwei Jahre voller Krankheiten, abgrundtiefer Erschöpfung und streckenweiser Verzweiflung, wie es weitergehen solle. ber wem – wie mir beim MegaMarsch und in meiner dunklen Nacht der Seele – Gott im Dunkel begegnet, der lernt ein Vertrauen, das anders nicht zu haben ist. Jesus zeigte sich seinen Jüngern als Auferstandener und er zeigt sich seinen Jüngern heute – mitten in ihrer dunklen Nacht der Seele.

Das Ziel feiern vor der nächsten Etappe

Die letzten Meter sprinteten wir. Die Glückshormone mobilisierten nach 22 Stunden Fußwanderung noch einmal ungeahnte Kräfte in mir und meinem Weggefährten. Wir stürmten durch das Ziel und nahmen überglücklich die Finisher-Medaille in Empfang. Bevor wir auf dere sonnigen Wiese kollabierten und erstmal nur noch liegen wollten.

Wer als Wanderer in Sachen Jüngerschaft unterwegs ist, tut gut daran, zu lernen, seine vollendeten Etappen zu feiern. Gott zu feiern. Die vollendete Strecke noch einmal Revue passieren zu lassen. Durchzuatmen und loszulassen, was war. Wer pausenlos eine Etappe hinter die andere reiht, wird die Lust an der Jüngerschaft und die demütige Dankbarkeit Gott gegenüber verlieren.

Ein Ausblick

500 Euro Spenden für Tansania, eine Finisher-Medaille und einige wertvolle Lektionen in Sachen Jüngerschaft. Für mich hat sich der MegaMarsch gelohnt. Die ersten Follower sind gefunden: die Missionare Christiane und Dr. Alfred Meier haben sich vorgenommen, dieses Jahr den MegaMarsch Berlin zu wandern. Und ich habe meine nächste Challenge: den Triathlon4Hope im Juli in Hamburg.

Zum Schluss die Frage an Sie: Was ist Ihre nächste Challenge und Etappe auf Ihrem Marsch der Jüngerschaft mit Jesus? Ich wünsche Ihnen lebensverändernde Entdeckungen unterwegs.

Simon Diercks ist Leiter für Communication & Media

Dieser Artikel ist in unserem Magazin move (Mai – Juli 2018) erschienen.