Häusliche Gewalt beenden

Häusliche Gewalt beenden

Jedes vierte Kind und fast jede zweite Frau erleben häusliche Gewalt in Vietnam. Ein Pilotprojekt der Allianz-Mission soll für Aufklärung und Prävention sorgen und Familien heilen.

Vietnam ist nicht nur landschaftlich, sondern auf den ersten Blick auch gesellschaftlich ein beeindruckendes Land. Durch die marktwirtschaftliche Öffnung vor 30 Jahren ist es der kommunistischen Ein-Parteienregierung gelungen, ein massives Wirtschaftswachstum zu erzeugen, das Vietnam vor allem in den Städten sein heutiges, modernes Gesicht verleiht.

Hinter dieser erfolgreichen Fassade verbirgt sich jedoch eine ganz andere Realität: Für Millionen besteht das Übel der Armut in der Verborgenheit der ländlichen Regionen weiter. Gleichzeitig ist der Lebensalltag der Menschen weiter von ihrer traditionellen Prägung bestimmt: Immer noch verehren fast 100 Prozent der Familien ihre verstorbenen Vorfahren am heimischen Altar. Immer noch betet das ganze Land regelmäßig zu vielerlei Geistern und Göttern. Und immer noch erleben ungezählte vietnamesische Frauen und Kinder in ihren eigenen Familien systematische, fortgesetzte Gewalt.

Besonders grausam ist dabei, dass die Ursachen dieses Leides seit Generationen so tief in den gesellschaftlichen Normen verwurzelt sind, dass Gewalt von den Betroffenen den Opfern wie auch den Tätern – als ganz normaler Teil des persönlichen Lebensschicksals empfunden wird:

  • Ist es nicht normal, dass Frauen deutlich mehr arbeiten als Männer, aber kein Mitbestimmungsrecht haben? Und dass ihnen nur für die Geburt von Söhnen gesellschaftlicher Status zusteht?
  • Ist es nicht normal, dass betrunkene Ehemänner ihre Kinder schlagen und ihre Frauen zum Sex zwingen?
  • Ist es nicht normal, dass sich Frauen schämen, wenn ihre Männer fremdgehen und damit zeigen, dass sie zuhause nicht bekommen was ihnen zusteht?

Jedes vierte Kind erlebt Gewalt in der Familie oder auf dem Schulweg. 40 % aller Frauen werden Opfer häuslicher Gewalt.

Hinter der modernen Fassade Vietnams versteckt sich eine harte Realität: Jedes vierte Kind erlebt Gewalt in der Familie oder auf dem Schulweg. 40 % aller Frauen werden Opfer häuslicher Gewalt. Und niemand spricht darüber.

Vor einigen Monaten hat Gott unserem einheimischen Team der Allianz-Mission völlig unerwartet die Tür dafür geöffnet, uns dieses sensiblen Tabuthemas offen anzunehmen. Nur über Jahre aufgebaute Vertrauensbeziehungen machten es möglich, dass wir nun in den ärmsten Dörfern des ländlichen Distrikts Chuong My ein offizielles Pilotprojekt starten dürfen, das ein Modell für das ganze Land werden kann.

In dieser Pilotphase soll es gemeinsam mit unseren Partnern, der Frauenunion vor Ort, darum gehen, überhaupt erstmal ein Bewusstsein für das erschreckende Ausmaß dieser Missstände und für das tägliche Leiden von Frauen und Kindern zu schaffen. Familiengewalt darf nicht länger als Privatsache verharmlost werden.

Dafür sollen alle Ebenen einbezogen werden, von der Ortsregierung bis hinein in Schulen und Familien.

  • 40 örtliche Regierungsbeamte und Leiterinnen der Frauenunion werden zu biblischen Prinzipien zu den Themen Gleichberechtigung, Ehe und Familiengewalt geschult
  • 30 Frauenbeauftragte werden durch Kommunikationstraining als lokale Multiplikatoren ausgebildet
  • 1.400 Schulkinder lernen im Unterricht und Sommerlagern, Mädchen genauso wertzuschätzen wie Jungs und wie sie sich in Situationen drohender Gewalt schützen können
  • Verschiedene Gruppen werden zu Dorfkomitees für den Schutz von Frauen und Kindern vernetzt
  • In 10 Dörfern werden Selbsthilfegruppen aufgebaut und ausgebildet, die sichere Orte für 400 Frauen schaffen
  • Die ganze Dorfgemeinschaft wird durch Familienfeste, durch Podiumsdiskussionen zur Gleichberechtigung und durch Kurse zur Gewalt-Prävention in Familien einbezogen.

So soll durch gezielte Bewusstseinsbildung Schritt für Schritt Licht in die grausame Verborgenheit und Verleugnung von Gewalt kommen und gleichgültige Schicksalsergebenheit in echtes Mitgefühl und einen Hunger nach Gerechtigkeit verwandelt werden.

Wir hoffen von Herzen, dass die Pilotphase erfolgreich verläuft und echte, messbare Veränderungen hervorbringt. Und wir beten, dass dieses Projektmodell an vielen Orten durchgeführt werden kann und den Menschen zeigt, dass Gottes Liebe und Gerechtigkeit auch ihnen Frieden bringen können.

Dafür suchen wir Mitstreiter, die sich mit Gebet und Gaben hinter diesen herausfordernden Dienst der Versöhnung stellen und die so ganz praktisch mithelfen, Gottes Reich auch in Vietnam auszubreiten.

Jochen Fiebrantz ist Missionssekretär für Asien

Dieser Artikel ist in unserem Magazin move (August – Oktober 2019) erschienen.