Mission als Heilungswerk

Mission als Heilungswerk

Was kann eine Missionsorganisation dazu beitragen, Menschen ihre Würde zu zeigen oder zurückzugeben? Jochen Fiebrantz wagt eine Antwort für die Allianz-Mission.

„Die Würde des Menschen ist unantastbar.“ Dieser Basissatz des deutschen Grundgesetzes beruht nicht auf allgemein humanistischem Anstand, sondern auf einem Kernkonzept der Bibel. Gott spricht uns Menschen Würde zu! Ist das wirklich so selbstverständlich wie wir oft meinen?

Immer wieder begegnen unsere Missionare in ihren Einsatzländern herzzerreißenden Situationen, die sie fassungslos und manchmal auch sehr zornig machen. Wo bleibt unsere Würde der Gottesebenbildlichkeit, wenn betrunkene Familienväter ihre Frauen und Kinder krankenhausreif schlagen? Wenn arme Bauern keinen Ausweg mehr sehen, als sich selbst in die Sklaverei zu verkaufen? Wenn Brüder sich Geld für Drogen verdienen, indem sie ihre kleinen Schwestern zur Prostitution zwingen? Wenn Menschen voller Angst unberechenbare Geister durch Opfergaben zu besänftigen versuchen, um ihre Familien so vor Leid und Krankheit zu bewahren? In solchen Situationen erscheint Würde als sehr fernes Ideal, reserviert für Privilegierte, für „Würdenträger“.

Wir wissen: Unser Vater im Himmel sieht solches Leid voller Mit-Leid an und findet sich nicht damit ab. Deshalb gehört es zutiefst zu unserer eigenen Gottesebenbildlichkeit, zum Kern unserer Botschaft und zu unserem missionarischen Auftrag, uns für die Wiederherstellung der unantastbaren Würde einzusetzen, die Gottes Liebe in uns Menschen gelegt hat.

Deshalb machen wir uns stark für Menschenwürde. Für Partnerschaften auf Augenhöhe. Für klare Richtlinien zum Schutz von Kindern. Für echte Integration von Menschen mit Behinderung. Für die Mitbestimmung der Armen in unseren Projekten und für das Einbeziehen ihres Reichtums an Wissen und Erfahrung. Für mutige Eigenverantwortung statt Schicksalsergebenheit und Opfermentalität. Für das Entlarven von Lebenslügen. Für tiefgehende Befreiung in Christus.

Und wir erleben es tatsächlich: Wo immer wir Menschen helfen, ihren Vater im Himmel kennenzulernen, wo immer wir ihnen glaubwürdig, in Tat und Wort seine Liebe bezeugen, da verwandelt diese heilende Liebe Entwürdigte vor unseren Augen zu Gewürdigten. Es berührt uns tief, wenn Zeichen dieser inneren Heilung sichtbar werden. Wenn wir misshandelte Frauen in unseren Workshops spontan lachen hören. Wenn armen Bauern die Tränen kommen, nur weil sie in unserem Kuhbankprojekt zum ersten Mal erleben, dass ihre Meinung mit echtem Interesse gewürdigt wird. Wenn ein Straßenjunge im neuen Drop-in-Zentrum scheu darum bittet, aus der Bibel vorgelesen zu bekommen. Wenn Menschen – trotz aller Widrigkeiten – Jesus ihr Leben anvertrauen.

Für uns sind das erste, kleine Zeichen dafür, dass unser Vater sein Heilungswerk an diesen Menschen tut und dabei ist, Schritt für Schritt ihre Würde als Kinder Gottes wiederherzustellen. Denn das kann nur Er. Was für eine Würde aber für uns, dass er uns an seinem Werk Anteil gibt.

Dr. Jochen Fiebrantz ist Missionssekretär für Asien

Dieser Artikel ist in unserem Magazin move (Mai – Juli 2020) erschienen.