Covid-19 und globale Mission

Covid-19 und globale Mission

Jason Mandryk, Leiter des Gebetsnetzwerks Operation World, hat in einem kleinen Buch 80 Thesen formuliert, wie sich die Corona-Pandemie global auf christliche Mission und Gemeinde auswirken wird. Viele bleiben es wert, durchdacht zu werden.

Mandryk gliedert seine insgesamt 80 Thesen in Themenfelder wie sozio-kulturelle Aspekte, Wirtschaft, christliches Zeugnis, Mission und Gebet. Da sein Buch bereits im Mai veröffentlich wurde, hat sich angesichts der Beendigung mancher nationalen Lockdowns, den Fortschritten in der Forschung zu Covid-19 und einer zweiten Infektionswelle manches überholt.

Eine ernüchternde Diagnose eröffnet das Buch: „Wir wissen es einfach nicht.“ (These 1)

Mandryk stellt fest, dass die vieldeutigen Fakten über Covid-19 zeigen, dass „wir es mit einem verwirrenden Virus in einer verwirrenden Zeit zu tun haben. Vieles hat sich verändert und vieles wird sich noch verändern.“ Des Weiteren: „Es gibt keine Rückkehr zur alten Normalität.“ (These 3). Mandryk sieht auch die Chancen der Veränderung: „Wo auch immer wir nach der Pandemie landen: Es wird nicht sein, wie es war, aber es könnte ein bisschen mehr so sein, wie es sein sollte.“

Er sieht den ungebremsten und weltweit vernetzten Wachstumstrend zu einem Stillstand gekommen (These 7) und fragt, was das für christliche Mission bedeutet, die in der Vergangenheit von eben dieser Vernetzung bei ihrer Ausbreitung profitiert hat. Wer die aktuellen Medienberichte verfolgt, der wird seine These bestätigen: „Rassismus, Fremdenangst und toxische Formen des Nationalismus nehmen zu.“ (These 8) Mandryk befürchtet, dass manche Minderheiten zunehmend Ziel von Hass und Gewalt werden, während andere überdurchschnittlich unter Covid-19 leiden. Und er fragt: „Wie können Christen die Gute Nachricht über Kulturgrenzen hinweg und bis in unerreichte Gemeinschaften weitergeben?“

Wirtschaftlich unterstreicht das seine Wahrnehmung, dass gerade im globalen Süden eine Eskalation von Hunger und Verzweiflung stattfindet (These 19).

Eine große Chance sieht Mandryk darin, wie Christen reden, handeln und leben während der Pandemie (These 22), denn das „wird bestimmen, wie – gerade die westliche – Welt das Christentum als Ganzes wahrnimmt“. Besonders „christliche Großzügigkeit“ sieht er als „kraftvolles Zeugnis“ (These 27).

Im Hinblick auf Gemeindeleben während des Lockdowns sieht er die Christenheit daran erinnert, dass „der Leib Christi eine Bewegung von Menschen“ ist (These 29) und nicht in deren physischen Strukturen besteht. „Die am besten vorbereiteten Gemeinden in der vor uns liegenden Zeit werden wahrscheinlich eher dem ähneln, wie Menschen im Iran oder Vietnam Jesus nachfolgen als in den USA oder Australien.“

„Wenn eine radikale Neuausrichtung der Mission früher ein theoretisches Streben war – 2020 ist es eine reale und weltweite Notwendigkeit.“

Als „Realitäten des Missionsfeldes“ beschreibt Mandryk, dass schon seit Jahren deutlich ist, dass globale Mission nicht mehr westlich ist (These 52): Es gibt mehr Missionare aus dem globalen Süden als aus dem globalen Norden und „immer mehr Christen aus Asien, Afrika, Lateinamerika und Osteuropa werden in die Mission gesendet.“ Und die Zukunft der Mission wird „einheimisch“ sein (These 53), so Mandryk: „Wer könnte die christliche Botschaft besser inkulturieren an den Orten und Gemeinschaften, die durch Covid-19 unzugänglich geworden sind, als jene, die schon vor Ort sind?“ So sieht er die Frage, „wie Missionare aus den weniger wohlhabenden Ländern in die Mission entsendet werden und auf dem Missionsfeld bleiben können“, als elementar für die Zukunft der globalen Mission (These 54).

Wo die „plötzliche Einfrierung globaler Mission und der starke Rückgang von Sendung ein Rückschlag“ sein werden, sieht Mandryk aber auch die Möglichkeit, dass „diese Umstände eine Umwandlung zu gesunder Selbstständigkeit und echter Innovation erzwingen“ (These 59). Daneben benennt er aber auch die schmerzliche Realität, wie „der Lockdown auf dem Missionsfeld viel der effektiven Missionsarbeit gelähmt hat“ (These 62) und so „viele Missionare […] sich in die Isolation gezwungen sehen, während jene so nahe sind, die sie berufen sind zu erreichen.“

Im global vernetzten Gebet sieht Mandryk Zuflucht und Ermutigung, wenn Online-Gebetsveranstaltungen sich multiplizieren (These 69). Eine Menge Gebetsinitiativen sind seit dem Lockdown rund um die Welt entstanden: Hundertausende beteten am 1. Mai bei WorldPrayerTogether, in China beteten Christen rund um die Uhr und über eine halbe Million Menschen traf sich online zu „Deutschland betet gemeinsam“.

Zusammenfassend stellt Mandryk fest: „Wenn eine radikale Neuausrichtung der Mission früher ein theoretisches Streben war – 2020 ist es eine reale und weltweite Notwendigkeit.“ (These 79) Und schließt mit einem hoffnungsvollen Ausblick: „Gott ist der Herr der Ernte, nicht wir!“ (These 80) „All unsere Strategien, Programme, Ressourcen und Bemühungen können Gottes Werk nicht allein vollbringen. […] Das gibt uns Freiheit von den Fallen der Produktivität und Leistung. Wir sollen säen und tränken, aber es ist Gott, der Wachstum schenkt. Dass Er uns einlädt, Botschafter Seines Reiches zu sein, und dass unser Leben tatsächlich einen Einfluss auf die Erfüllung Seiner souveränen Pläne hat, ist ein paradoxes Wunder. Und auch wenn unser Gehorsam vielleicht eine Beschleunigung und unser Ungehorsam eine Verzögerung mit sich bringt, versichert er uns, dass seine Verheißungen erfüllt und seine Mission vollendet werden wird. Welche Rolle werden wir spielen?”

Simon Diercks ist Referent für Öffentlichkeitsarbeit

Dieser Artikel ist in unserem Magazin move (November 2020 – Januar 2021) erschienen.