Durch den Schleier sehen

Durch den Schleier sehen

Arabische Frauen, die Jouds* Stimme im Radio hören, erfahren, dass Gott sie durch alle Verschleierung hindurch sieht und bedingungslos liebt. Eine Liebe, die sie oft nicht kennen.

Du arbeitest bei „Women of Hope“ (deutsch: Frauen der Hoffnung), einem Projekt des weltweit arbeitenden Rundfunk-Missionswerks Trans World Radio (TWR). Was ist deine Aufgabe?

Ich bin Produzentin und Koordinatorin des Programms „Women of Hope“ in arabischer Sprache. Es wird im Mittleren Osten und Nordafrika gesendet und richtet sich an arabische Frauen. Dort werden Themen angesprochen, über die Frauen Bescheid wissen müssen, aber über die sie nicht offen sprechen können. Das betrifft psychologische, emotionale und spirituelle Themen, wie die persönliche Beziehung mit Gott, Ehe, Elternsein oder Selbstwert.

Wie bist du zu „Women of Hope“ gekommen?

Ich habe immer beim Fernsehen und später beim Radio im Bereich Jugend gearbeitet. Damals hatte ich die Möglichkeit, bei „Women of Hope“ im arabischsprachigen Raum zu arbeiten. Ich fühlte, dass es Zeit war, meinen Fokus auf Frauen zu richten. Und wusste, was es heißt, eine Frau zu sein und keine Jugendliche mehr. Zudem war mir klar, was um mich herum geschieht: Mir war der versteckte Schmerz der Frauen in meinem Umfeld bewusst. So öffnete der Herr eine Tür für mich. Jetzt mache ich das schon zehn Jahre. Der Herr hat die kleine Saat gesegnet und sie zu einem großen Baum wachsen lassen.

Wie begegnet ihr den Frauen in ihren Herausforderungen?

Wir zeigen den Frauen, wie wertvoll sie in Gottes Augen sind, dass er ihre Namen kennt, auch wenn sie verschleiert leben müssen. In diesen Regionen werden Frauen oftmals nicht dafür geliebt, wer sie sind. Sie werden misshandelt, missbraucht und benutzt. Sie fühlen sich wertlos: „Ich bin nichts wert. Niemand sorgt sich um mich, nicht einmal mein Vater. Mein Vater missbraucht mich physisch, mein Bruder vergewaltigt mich, mein Mann schlägt mich. Wer bin ich? Ich bin niemand.” Wenn sie von Jesus bedingungsloser Liebe hören, wie er in den Berichten der Bibel z. B. einer Samariterin begegnet (Johannes 4,16–19), mit ihr redet, ihr Wert und Hoffnung gibt und ihre Schuld vergibt.

Die Männer, die die Frauen erleben, zeigen das Gegenteil von dem, was Jesus vorlebt. Sie wollen dieser Art von Liebe vertrauen, weil sie diese Art von Liebe so nicht erleben. Wenn sie von Jesu Liebe hören, schmelzen ihre Ketten. Wenn sie von Jesu Liebe hören, ändert das alles.

Die Frauen können euch auch über die sozialen Medien erreichen. Wie entsteht so eine Freundschaft aus der Ferne?

Es braucht Zeit, um Vertrauen aufzubauen. Wenn das Eis gebrochen ist, entwickelt sich eine Freundschaft. Manche der Geschichten sind überwältigend: Kaum zu glauben, was ihnen widerfährt. Wenn du von den emotionalen und physischen Narben in ihrem Leben hörst, schlägt dir die Wahrheit ins Gesicht. Weil viele Frauen weltweit so etwas nicht erleben, heißt es nicht, dass es nicht geschieht. Man muss ihnen weise und empathisch begegnen, aber auch Grenzen ziehen und dabei vorsichtig mit ihrer und unserer Sicherheit umgehen.

Jesus ruft uns auf, seine Liebe vorzuleben. Ich persönlich weiß oft nicht, wie ich verschleierten Frauen begegnen kann. Wie können wir solche Grenzen überwinden?

Als allererstes müssen wir unsere Angst ablegen und hinter den Schleier sehen und erkennen, dass da ein Mensch, eine Seele dahinter ist. Lächle sie an, sag „Hallo“, frag, wie es ihr geht. Vielleicht kannst du auch ein paar Wörter auf Arabisch lernen. Das wird eine Unterhaltung öffnen und ihnen zeigen, dass Christen liebenswert sein können. Sie wissen nicht, was es heißt, Christ zu sein. Es beginnt damit, dass wir sie sehen, mit ihnen sprechen und mitfühlen.

Was möchtest du unseren Lesern mitgeben?

Oft haben wir als Christen, als Menschen in einem privilegierten Land, eine Art Verschleierung um unsere Herzen. Das schließt unsere Gefühle und die Liebe zu den Menschen ein. Wir haben uns für den Glauben entschieden. Sie wurden gezwungen zu glauben und ihren Glauben auszuüben. Und wenn sie sich gegen die Religion entscheiden, werden sie verfolgt, getötet und verhaftet. Das sollte uns dankbar machen, dass wir Christus in unserem Herzen haben und als Frauen frei sind, als solche zu leben.

*Name geändert

Das Interview führte Evelyn Clement, Mitarbeiterin im Bereich Communication & Media

Dieser Artikel ist in unserem Magazin move (Mai – Juli 2021) erschienen.

Mehr zum Projekt „Women of Hope“ von TWR

Das ausführliche Interview in unserem Podcast