Dr. Alfred Meier erklärt, warum Partnerschaft missionstheologisch mehr als eine Option ist und wie sie biblisch begründet gestaltet werden kann.
Bei der Zusammenarbeit in der interkulturellen Missionsarbeit geht es nicht nur um das praktische Gelingen, sondern auch um eine biblisch-theologisch begründbare Form der Partnerschaft. Als Allianz-Mission sind wir davon überzeugt, dass integrativ-partizipatorische Partnerschaft am ehesten den biblischen Werten der Koinonia (griechisch: Gemeinschaft) entspricht. Es geht um eine erneuerte christusgemäße Einheit in der Zusammenarbeit. Integrativ-partizipatorische Partnerschaft ist ein Akt der Demut gegenüber den negativen Auswirkungen paternalistisch-kolonialer Entgleisungen in der Missionsgeschichte.
Christus reißt die Mauern der Spaltung ein (siehe Epheser 2,14; Galater 3,28). Er durchkreuzt etablierte Parallelwelten und ermahnt uns, wenn wir uns wieder in sie zurückziehen wollen (siehe Galater 2,11ff). Paulus hat sich auf der Grundlage dieser Tatsache vehement dafür eingesetzt, dass sich die traditionelle Theologie erneuert und soziale und ethnische Grenzen innerhalb der Gemeinde aufgehoben werden. Christus hat den Preis für die Erneuerung (Integration) des Zusammenlebens mit seinem Leben bezahlt.
Deshalb muss uns die gelebte, partnerschaftliche Einheit in Christus im interkulturellen Kontext etwas wert sein, für das es sich abzumühen lohnt. Das Konzept der Koinonia lässt sich übersetzen mit „innige seinshafte Verbindung, Mit-Sein, Gemeinschaft, Genossenschaft, Zusammenhalt“ und ist umfassend und anspruchsvoll. Im 1. Korintherbrief illustriert Paulus die Umsetzung der Koinonia mit dem Bild des menschlichen Körpers (1. Korinther 12,12ff). In der Koinonia hat das Gemeinsame (griechisch: koinos) Vorrang vor dem Eigenen (griechisch: idios).
Die gemeinsame, in der Gemeinschaft entstandene Idee und deren Umsetzung stehen über der individuellen Vision und den Ideen, die von außen kommen.
Die gemeinsame, in der Gemeinschaft entstandene Idee und deren Umsetzung stehen über der individuellen Vision und den Ideen, die von außen kommen. Die gegenseitige Rücksichtnahme hat Priorität vor dem schnellen Erreichen der Ziele, die von Starken eingebracht werden. In der Philosophie des Platonismus wird die Koinonia sogar als notwendig für den Erhalt des Zusammenlebens bezeichnet. Koinonia ist somit Rettung. Die Erhaltung der Gemeinschaft wird zurückgeführt auf die Ordnung im Weltall (Kosmos) und die seinshafte Gemeinschaft des Menschen mit Gott.
Der theologischen Qualität der Gemeinde als Koinonia muss konsequenterweise eine praktische Qualität entsprechen, die als verbindliche Vorgabe für gelebte Partnerschaft fungiert. Aus diesem Grunde ist die Umsetzung integrativ-partizipatorischer Partnerschaft in der interkulturellen Zusammenarbeit aus meiner Sicht weniger eine Option, sondern vielmehr eine Obligation, weil sie die Qualität der Koinonia als grundlegenden Wert in der Praxis am ehesten spiegelt und den Fortbestand gemeinsamer Initiativen am ehesten ermöglicht. Die Konzepte, die dem partnerschaftlichen Miteinander mit unseren einheimischen Kolleginnen und Kollegen in der Missionsarbeit vor Ort zugrunde liegen, sind:
Integration (Erneuerung oder Wiederherstellung):
In Mali haben wir die einheimischen Mitarbeiter und Kollegen von Anfang an ermutigt, in einer gemeinsamen Struktur zusammenzuarbeiten, um dadurch ein Zeugnis zur Ehre Gottes zu sein. Missionsgesellschaften verzichten darauf, eigene Strukturen aufzubauen, weil sie überzeugt sind, dass die Integration in einheimische oder gemeinsam geschaffene Strukturen die Akzeptanz und Nachhaltigkeit der Arbeit eher garantieren.
Partizipation (Teilhabe, Teilnahme):
Wir sind beteiligt an Gottes Mission in der Welt. Darüber hinaus sind wir in einer dem Missionar fremden Kultur unterwegs und lernen, Anteil zu nehmen an den Freuden, Sorgen, Potenzialen und Bedürfnissen der Menschen. Wir beteiligen uns an Initiativen, die vor Ort von den Menschen im Gastland entwickelt werden.
Interdependenz (wechselseitige Abhängigkeit):
Die an der Partnerschaft beteiligten Partner wissen um ihre Stärken und Schwächen. Interdependenz bedeutet, dass eigenständige Partner in dem Bewusstsein kooperieren, gemeinsam und in wechselseitiger Abhängigkeit den Leib Jesu abzubilden und im Erfolg und Misserfolg zueinander zu stehen. Die Partner wissen um die Notwendigkeit der Ergänzung, sie profitieren voneinander und wissen, dass sie langfristig nicht ohne den anderen zum Erfolg kommen können. Sie entwickeln einen gemeinsamen Arbeitsrhythmus, der darauf bedacht ist, dass beide Partner gleichzeitig ankommen.
Dr. Alfred Meier ist Missionar für Mali
Dieser Artikel ist in unserem Magazin move (Mai – Juli 2021) erschienen.