Anafi Sounon Mora erlebt bei der Gemeindegründung in Benin, wie wertvoll sein Theologiestudium ist.
Dass Pastoren Theologen werden sollen und Theologen wiederum Pastoren, klingt wie eine Binsenweisheit, ist aber keine. Nach meiner kurzen Erfahrung im Gemeindedienst kann ich es eher als eine zumindest für Benin erprobte Wahrheit bezeichnen.
Der Pastor ist ein wichtiger Faktor des Gemeindewachstums. Das bedarf meines Erachtens keiner großen Erklärung. Ohne Zweifel schenkt nur der Herr Wachstum. Zunächst muss aber die Saat im Boden gepflanzt werden, sowohl im Boden der Nicht-Christen, als auch im Boden der Christen. Leider wird auf diesen Aspekt nur selten gebührend geachtet. Jeder Hobbygärtner weiß, dass von der Saat bis zur Frucht viel Mühe durch Gießen und Pflegen lebensnotwendig ist. Schon sind wir beim Thema: Gemeindewachstum. Bei mir kommt zudem die theologische Ausbildung hinzu.
Seit Oktober 2020 leite ich mit meiner Frau Roumana eine Gemeindegründung in Abomey-Calavi, der von Cotonou aus nächstliegenden Stadt. Davor habe ich mich lange gedrückt, sehr lange, obwohl ich viele Erfahrungen mit pastoralen Tätigkeiten hatte. Predigen, Bibelstunden halten, Menschen taufen, Ehepredigten halten, Seelsorgegespräche, beziehungsweise Befreiungsdienste führen, … – all das war mir kein fremdes Gebiet. Dennoch hatte ich hohen Respekt – und habe ich immer noch – vor dem Pastoraldienst. Sicher, es gibt einen großen Unterschied zwischen einer Amateurlizenz und der eines Profis in der Bundesliga. Ferner fühlte ich mich neben den Aufgaben als Pionier-Bibelschullehrer nicht gewappnet, um zusätzlich den Dienst als vollzeitiger Pastor zu wagen. An dieser Stelle meine große Achtung für alle diese wahren und bewährten Hirten des Volkes Gottes, obwohl sie leider immer häufiger von der Herde gejagt werden. Hut ab, denn
Hirte sein ist auch nicht leicht.
Als Jesus immer klarer stellte, dass ich diesen würdigen und einschüchternden Weg einschlagen sollte, schmolzen alle Widerstände wie Schnee in der Sonne. Ich wusste: Wen Gott beruft, den rüstet er aus. Nach Monaten der Planung, Vorbereitung und des Betens hielten wir am 1. Oktober den ersten evangelistischen Bibelabend. Drei Monate später hatte sich ein Kernteam gebildet und die Rufe nach sonntäglichen Gottesdiensten wurden lauter. Diese begannen am 13. Dezember 2020. In der Zwischenzeit entschieden sich 18 Personen zum bewussten Leben mit Jesus. In 2 Taufen bekannten 11 Täuflinge ihre Beziehung zu Jesus und wir feiern einmal im Monat das Abendmahl. Seit Mai blicken wir mit Freude auf unsere erste Trauung zurück. Diese Zahlen lesen sich, als wäre alles so geradlinig verlaufen. Manchmal ja, aber oft genug waren dicke Enttäuschungen nicht weit weg.
„Was kann authentischer sein, als von Dingen zu reden, von denen die Studierenden wissen, dass sie im Gemeindedienst erprobt sind?“
Was hat nun das Theologiestudium damit zu tun? Ich meine viel, auch wenn natürlich Jesus die ausschlaggebende Rolle spielte. Ich bin äußerst dankbar für die fünf Studienjahre an der Freien theologischen Hochschulen Gießen. Als ich im Sommer 2011 den Kurs Gemeindegründung in der Großstadt bei Stephen Beck belegte, war ich meilenweit entfernt davon zu träumen, fast 10 Jahre später für die gelernte Methodik tausende Kilometer weiter weg Anwendungsmöglichkeiten zu finden. In der Abschlussarbeit sollten die Studierenden ein Konzept entwerfen für eine Gemeindegründung in Frankfurt-Nordweststadt. Mein Konzept überzeugte offensichtlich, denn neben der guten Note schlug er mir vor, in der Gemeindegründung in Frankfurt mitzuwirken.
Mit dieser erlernten Methodik wurde hier in Abomey-Calavi ein Team gebildet und mit der Gemeindekontextanalyse beauftragt. Wir sammelten Infos, identifizierten tiefe Bedürfnisse der Zielgruppe, suchten im Gebet, wie wir bewusst mit dem Evangelium eine dauerhafte Antwort geben konnten. Manchmal suchten wir im Gebet eine Bestätigung unserer Pläne, andere Male baten wir um Wegweisung, weil wir nicht weiterwussten. Bis zum besagten evangelistischen Bibelabend am 1. Oktober 2020.
Selbstverständlich ist nicht nur dieser Kurs entscheidend für den bisherigen guten Verlauf der Gemeindegründung. Aber im Studium habe ich gelernt, Sachen ganzheitlich zu betrachten, niemals nach Patentlösungen zu suchen, sondern immer zu adaptieren. Das ist mühsam, lohnt sich aber. Dagegen gelingt selten ein Dienst nur nach Mustern. Keine der im Studium erworbenen Erkenntnisse lassen sich irgendwo auf der Welt eins zu eins anwenden. Das notwendige Übertragen wird jedem nahegelegt, der nicht kläglich scheitern will.
Und jetzt, ein knappes Jahr nach dem ersten Gottesdienst Mitte Dezember 2020, blicken wir demütig auf Gottes Segen über unseren Bemühungen. Wir sind oft an der Grenze der körperlichen Erschöpfung, aber immer wieder erleben wir, wie wahr Jesaja 40,31 ist: „Die aber auf den HERRN harren, kriegen neue Kraft …“, denn neben der Gemeindegründung wurde Mitte Februar der reguläre Betrieb der Bibelschule gestartet.
Unsere Zielsetzung ist keineswegs, Akademiker auszubilden, sondern kompetente Pastoren mit gutem Flair für Theologie. Wir richten also bewusst die Kurse auf die Praxis, und vermitteln auch bei „trockenen“ Fächern wie Systematische Theologie, was sie für die Gemeindepraxis bedeuten. Was kann authentischer sein, als von Dingen zu reden, von denen die Studierenden wissen, dass sie im Gemeindedienst erprobt sind? Unser Ziel war, eine pastorale Ausbildung anzubieten. Die bis jetzt so erfolgreiche Gemeindegründung bietet uns eine zusätzliche Legitimität dazu. Sie ist die beste Werbung dafür, dass Pastoren Theologen werden sollen und Theologen wiederum Pastoren. Jesus sei Dank!
Anafi Sounon Mora ist Missionar in Contonou, Benin
Dieser Artikel ist in unserem Magazin move (November 2021 – Januar 2022) erschienen.