Das Vorläufige dem Ewigen überlassen

Das Vorläufige dem Ewigen überlassen

Joseph Najem lernt von Paulus, der trotz Gefangenschaft nicht in Selbstmitleid versinkt. Trotz seiner eigenen Widrigkeiten ermutigt er die Gläubigen, sich auf ihre Berufung zu konzentrieren, Herausforderungen in Chancen zu verwandeln und das Vorläufige dem Ewigen zu überlassen.

„Ihr sollt wissen, Brüder und Schwestern, dass meine Gefangenschaft sogar zur Verbreitung der Guten Nachricht beigetragen hat. Die Beamten am Sitz des Statthalters und alle, die meinen Prozess verfolgt haben, wissen jetzt, dass ich angeklagt bin, weil ich Christus diene. Und gerade weil ich im Gefängnis sitze, sind die meisten Brüder und Schwestern hier am Ort durch den Beistand des Herrn voller Zuversicht und getrauen sich, die Botschaft Gottes nun erst recht und ohne Furcht weiterzusagen.“ (Philipper 1,12–14)

Paulus schreibt etwas sehr Wichtiges an die Menschen in der Gemeinde in Philippi. Er spricht über die Unsicherheiten, mit denen er in seinem Dienst konfrontiert ist. Er schrieb diesen Brief aus dem Gefängnis. Meiner Meinung nach hätte er einen anderen Brief schreiben können: einen Brief des Selbstmitleids, der Depression. Einen Brief, in dem er seinen Kummer und seine Entmutigung beschreibt, einen Brief, der sich um sein eigenes Leben dreht.

Aber stattdessen sagt er, dass das, was ihm widerfahren ist, dazu diente, das Evangelium zu verbreiten. Er gibt den Menschen um ihn herum im Gefängnis ein Zeugnis darüber, was Gott durch ihn getan hat. Seine Gefangenschaft geschah um Christi willen. Und er beschreibt auch, dass seine Lage die Gläubigen um ihn herum gestärkt hat. Er sagt, dass „meine Freunde aufgrund meiner Gefangenschaft mutig waren, das Wort Gottes zu verkünden“.

Und weil er für Christus eintrat, begannen die Menschen um ihn herum, die Gläubigen, das Wort ohne Furcht zu verkünden. Können Sie sich die Situation vorstellen, in der Paulus – anstatt selbst zu weinen – in der Lage war, die Gläubigen um ihn herum zu stärken?

Das Gleiche kann auch Ihnen und mir passieren: Viele Unwägbarkeiten können in unser Leben treten. Und manchmal weht der Wind vielleicht gegen das Boot unseres Lebens. Unvorhergesehene und ungeplante Ereignisse können uns jederzeit widerfahren. Auch widrige Umstände können eintreten und unser Leben beeinflussen. Was sollen wir dann tun?

Erinnern Sie sich an Joseph aus dem Alten Testament. Viele Dinge waren in seinem Leben ungeplant. Widrigkeiten traten in seinem Leben auf: falsche Anschuldigungen, Ungerechtigkeit, Gefängnis. Aber aufgrund seiner Kühnheit und seiner Verwurzelung in Gott konnte er all diesen Unwägbarkeiten begegnen – ohne Furcht.

„Umarme das Unplanbare“. Also Dinge akzeptieren, die nicht zu unseren Gunsten sind und sie dennoch mit Christus überwinden. So erleben wir es auch in unserem Dienst im Libanon: Der Krieg wütet seit vielen Jahren. Viele Libanesen sind aus dem Land geflohen. Wer im Land geblieben ist, hat seine gesamten Ersparnisse durch die Entwertung der Währung verloren. Das Leben wurde für viele Menschen sehr zerbrechlich. Viele verloren die Hoffnung.

Aber inmitten all dessen hat Gott Menschen in seinen Dienst geholt: Gott ließ die Türen seiner Kirche wachsen. Und unser Dienst ist enorm gewachsen. Inmitten all dieser Ungewissheit hat Gott ein großes Werk unter uns getan: Von einer einzelnen Kirche in Beirut aus hat Gott Gemeinden in acht arabischen Länder entstehen lassen.

Also: Wie gehen wir damit um, wenn uns etwas Ungeplantes widerfährt, der Wind gegen unser Boot bläst und das Leben ungerecht und unsicher erscheint?

Ich möchte Ihnen und mir drei Dinge ans Herz legen, drei Dinge, von denen ich denke, dass wir sie von Paulus lernen können. Paulus weiß, wovon er spricht, wenn er sagt: „Seht, ich gehe jetzt nach Jerusalem – gefesselt vom Heiligen Geist und als sein Gefangener. Ich weiß nicht, wie es mir dort ergehen wird; aber das weiß ich: In jeder Stadt, in die ich komme, kündigt der Heilige Geist mir an, dass in Jerusalem Verfolgung und Fesselung auf mich warten.“ (Apostelgeschichte 20,22-23)

Eine Sache, die wir aus dem Leben von Paulus lernen müssen, ist, dass er sich auf die Vision und seine Berufung konzentrierte. Er konzentrierte sich nicht auf die Umstände, mit denen er konfrontiert war. Er wusste durch seinen Geist und den Geist Gottes, dass Dinge geschehen könnten, die seinem Willen zuwiderliefen. Und dennoch konzentrierte er sich auf seine Berufung und auf seine Vision.

Das Zweite, was wir aus dem Leben von Paulus lernen können, ist zu lernen, wie wir unsere Herausforderungen in Chancen verwandeln können. Es ist leicht, den Misserfolgen zu erliegen. Aber mit Gottes Geist und Gottes Kraft können wir, wie Paulus, unsere Herausforderungen in Chancen für das Evangelium verwandeln. Und wir können von Paulus lernen, wie er in seinem Zeugnis mutig sein kann.

Das Dritte, was wir von Paulus lernen, ist, das Vorläufige dem Ewigen zu überlassen. Er wusste, dass er Christus eines Tages von Angesicht zu Angesicht gegenüberstehen würde. Er wusste, dass er genug hatte, um sich auf die Vorsehung Gottes zu verlassen. In einem Brief schreibt er: „Ich kann alles tun in Christus, der mich stärkt.“ Er blickte auf die ewigen Dinge und wusste, dass das Vorübergehende vergehen wird. Deshalb gab er sich nie mit der gegenwärtigen Situation ab – ob geplant oder ungeplant.

Möge Gott uns die Kraft und die Stärke geben – in Deutschland und im Libanon. Wir werden mit vielen Dingen konfrontiert, die unserem Willen zuwiderlaufen. Was werden Sie tun? Was werde ich tun? Was werden wir alle tun?

Joseph Najem ist Leiter des Bundes Freier evangelischer Gemeinden im Libanon und Syrien.

Dieser Artikel ist in unserem Magazin move (August – Oktober 2023) erschienen.

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