Mit 100 Leiterinnen und Leitern fand Mitte September die Konferenz „Joining Hands for Mission in Europe“ statt. Sie wurde veranstaltet von IFFEC, dem internationalen Bund freier evangelischer Gemeinden. Hier sind 33 Gemeindebünde zusammengeschlossen, die weltweit für 700.000 Mitglieder stehen. Thomas Schech und Josias de Zubiaurre Racis waren dabei.
Thomas, du hast die Konferenz vorbereitet und mit durchgeführt, warum dieser Schwerpunkt auf Europa?
Thomas: Das war die fünfte Konferenz dieser Art, die letzte 2016. IFFEC ist zwar ein weltweites Netzwerk, hat aber immer wieder auch Schwerpunkte auf einzelnen Kontinenten gesetzt und die meisten IFFEC-Bünde haben ihren Sitz in Europa.
Wichtiger ist: Europa ist der Kontinent, wo das Christentum insgesamt tendenziell schrumpft. Während in Südamerika, in Afrika, in Asien die Christenheit wächst, ist Europa der Kontinent mit einer langen christlichen Tradition, der viele, viele Impulse gesetzt hat – in der Theologie, in der Mission, in den letzten Jahrhunderten. Aber aktuell hinken wir hinterher und Europa braucht das Evangelium, braucht innovative, neue Formen von Kirche und Gemeinde.
Welche Impulse nimmst du mit von diesen Tagen in Ciudad Real bei Madrid?
Josias: Als es um die Entstehungsgeschichte der IFFEC ging, blieb mir der starke Satz hängen: „Wir ehren das Erbe unserer Väter und Mütter, aber wir haben auch eine Verantwortung für unsere Generation heute, für das Jahr 2023.“
Das hat mich total motiviert: Wir haben echt eine Aufgabe hier in Europa.
Ein spanischer Leiter berichtete: „Wir haben mittlerweile mehrere tausend Gemeinden in Europa. Das ist die Frucht von missionarischer Arbeit, von Menschen, die nach Spanien gekommen sind, unsere Kultur und Sprache gelernt haben, mit uns gelebt haben und Gemeinden hier gegründet haben. Und jetzt ist es unsere Aufgabe, eigene Leiterinnen und Leiter zu entwickeln und die Gemeinden weiterzuführen.“
Wie arbeitet die IFFEC global für Gemeindegründungen in Europa zusammen?
Thomas: Die IFFEC ist kein strukturiertes Netzwerk oder ein Kirchenverband. Es gibt nur sehr wenig Strukturen oder Ressourcen, wie das Executive Board und verschiedene Komitees zu z. B. Jugend, Theologie oder Mission. Vor allen Dingen lebt das IFFEC-Netzwerk von den Beziehungen zwischen Leiterinnen und Leitern über Ländergrenzen hinweg.
Das war auch für uns als Vorbereitungsteam ein Ziel, dass eine neue Gemeinschaft von Gemeindegründerinnen und Gemeindegründern für Europa entsteht. Gemeindegründer sind nicht selten einsam unterwegs oder erleben viel Entmutigung oder Druck. Dort wollen wir eine Herzensgemeinschaft etablieren, die sich gegenseitig stärkt.
Wie bei den „heart talks“ (deutsch: Herzensgespräche) an den Abenden der Konferenz: Das berichteten Geschwister aus der Ukraine über ihre Gemeindeentwicklung mitten im Krieg. Am nächsten Tag sagte ein Gemeindegründer aus Frankreich zu mir: „Ich dachte, wir in Frankreich sind schwach angesichts unseres großen Landes und der Entkirchlichung. Aber als ich unsere Geschwister aus der Ukraine gehört habe: Wie sie trotzdem leidenschaftlich und mit Gottvertrauen unterwegs sind – da bin ich sehr ermutigt worden.“
Ein Faktor für die Entstehung gesunder Gemeindegründungen in Europa ist Jüngerschaft. Josias, zusammen mit deiner Frau Ana startest du dieses Jahr ein neues Projekt in Karlsruhe. Was macht ihr da?
Josias: Wir starten eine Jüngerschaftsschule, die wir „Dein Jüngerschaftsprojekt“ nennen. Nächstes Jahr starten wir ein einjähriges Programm für junge Erwachsene zwischen 18 und 25, angegliedert an die FeG Karlsruhe. Also gemeinsam mit einer Ortsgemeinde mitten im Herzen einer großen Stadt im Südwesten von Deutschland und mit der Allianz-Mission, der Jugend des Bund FeG und der Theologischen Hochschule Ewersbach.
Warum braucht Deutschland noch eine weitere Jüngerschaftsschule?
Josias: Ich habe auf der Konferenz mit Vielen über dieses Projekt gesprochen. Und ich habe in viele leuchtende Augen von Leiterinnen und Leitern gesehen, die sagten:„Wir haben noch nicht viele Jüngerschaftsschulen bei uns im Land und wir bräuchten sie so dringend, weil wir als Gemeinden gar nicht hinterherkommen, jungen Menschen den christlichen Glauben nahezubringen und die Lebensweise Jesu effektiv zu vermitteln.”
Wir leben in einer hochdigitalisierten und hochvisualisierten Welt und sind auch als junge Generation ständig solchen Einflüssen ausgesetzt. Wie kann Kirche hier ein Gegenpol sein? Da kann so ein Projekt eine Möglichkeit sein, mich ein Jahr wirklich darauf zu fokussieren und in meine Beziehung zu Jesus zu investieren. Außerdem ist es schlicht so, dass wir als Gemeinden altern mit jedem Jahr. Wir brauchen junge Projekte für junge Menschen, damit wir weiterhin ein vitaler Gemeindebund bleiben.
Was kann deiner Einschätzung nach “Joining Hands“ für Europa bewirken?
Wir möchten eine Gemeindegründungsbewegung sehen, dazu motivieren und dazu soll die Konferenz einen Beitrag leisten. So hat der kleine Gemeindebund aus Dänemark einen Leiter aus Österreich angefragt, der eine überregionale Netzwerkgemeindegründungsarbeit leitet: „Kannst du uns beraten und uns helfen?“ Auch der kleine Gemeindebund aus Rumänien hat ähnliche Fragen gestellt, um mal die nationale Vogelperspektive einzunehmen. Für so kleine Gemeindebünde sind schon drei, vier Projekte eine Riesensache.
Wir möchten regionale Netzwerke bilden, in denen es nach der Konferenz konkret weitergeht. Oder Schlüsselpersonen aus Nachbarländern einer bestimmten Region – wie Nord- oder Osteuropa zusammenzubringen, um sich gegenseitig anzufeuern und herauszufordern. Wir können die Plattform bieten, aber durch die offenen Türen muss dann jeder selbst gehen.
Was sind die Chancen und Hindernisse für die Zukunft von Evangelisation in Europa?
Thomas: Wie Du, Josias, beschrieben hast im Blick auf einen alternden Bund FeG in Deutschland, trifft es auch auf andere Gemeindebünde in Europa zu. Da können wir schnell in einen Krisenmodus reinkommen und die Kraft und die Ressourcen hineinbuttern, das zu bewahren, was ist. Und uns schwertun, Ressourcen freizusetzen für neue innovative Projekte. Ich glaube, da müssen wir umdenken lernen.
Eine große Chance sehe ich in der Bewegung der Diaspora-Gemeinden als Sammelbegriff für Migranten- und Migrantinnen-Gemeinden. Die ganze Bewegung von Gottes globaler Mission und Kirche, die ist heute bunt und multidirektional aufgestellt. Ich sehe die riesigen Chancen, dieses Potenzial mit hineinzunehmen in unsere Gemeindegründungsgedanken und -bewegungen und voneinander zu lernen. Wir brauchen viel mehr Vielfalt und Buntheit, um
Europa für Christus zurückzugewinnen.
Welchen einen Satz gebt ihr unseren Leserinnen und Lesern mit?
Wenn ihr Jesus nachfolgt, habt ihr eine Verantwortung für euer Land – nutzt die Chancen!
Josias de Zubiaurre Racis
Es gibt Hoffnung für unseren Kontinent, weil Christus mit uns ist und wir zusammenstehen.
Thomas Schech
Das ausführliche Gespräch gibt es auf unserem Podcast.
Dieser Artikel ist in unserem Magazin move (November 2023 – Januar 2024) erschienen.