Perspektivwechsel: Mission, die aus dem Schema fällt

Perspektivwechsel: Mission, die aus dem Schema fällt

Teilzeit-Mission in Ruanda – das ist ungewohnt, aber eröffnet für Silke und Stephan Irle die Möglichkeit, dem nachzugehen, was ihnen schon lange auf dem Herzen brennt. Als Augenarzt und Assistentin geben sie Menschen das Augenlicht zurück.

Es ging vor und zurück, nur nie wirklich weiter. Silke und Stephan beschäftigte schon seit Jahren das Thema Mission, sie hatten viele Gespräche mit ihrer Gemeinde und Freunden geführt, bloß war es nie wirklich konkret geworden. Oft sah es aus, als würden sie einfach nicht ins Schema passen. Es musste sich etwas verändern. Am Neujahrsmorgen 2020 entschieden sie: Entweder ging es dieses Jahr voran, oder sie begruben das Thema.

Liest man die Lebensläufe von Silke und Stephan, erwartet man zunächst keinen großen Wunsch, in die weite Welt hinauszugehen. Silke wuchs am Niederrhein auf einem Bauernhof auf, absolvierte eine Ausbildung zur Buchhändlerin und lebt auch heute noch in der Gegend. Stephan verbrachte seine Kindheit und Jugend vor allem in Duisburg und studierte später im Ruhrpott Medizin. Mit Silke zog er dann ins nicht allzu weit entfernte Sonsbeck am Niederrhein. Weiter weg ging es nur für ein halbjähriges Praktikum beider in Lübeck. Doch dann Ruanda, Afrika.

Das Jahr der Entscheidung begann ohne große Veränderung, bis der Vorstandsvorsitzende Thomas Schech sie nach einem Gottesdienst zu dem GEH!-Seminar der Allianz-Mission einlud. Dort setzten sie sich mit ihrer Berufung und Wegen in die Mission auseinander. Für Stephan und Silke war danach klar, dass Mission für sie weitergedacht werden muss.

Silke hatte 2018 nach fast 20 Jahren als Vollzeitmutter wieder zu arbeiten begonnen. Sie arbeitete mit Stephan im OP und absolvierte im Oktober 2020 eine Prüfung zur Technischen Sterilgutassistentin. Als solche konnten sie beide etwa die Hälfte des Jahres in Ruanda arbeiten. Die andere Hälfte sind sie weiterhin in Deutschland in ihrer Klinik beschäftigt und für ihre vier erwachsenen Kinder da. Dass Mission so aussehen kann, damit haben sie nicht gerechnet.

In Ruanda leben rund 13 Millionen Menschen. Stephan und Silke erklären, dass viele von ihnen im Laufe ihres Lebens durch die Katarakt erblinden, auch unter dem Namen „Grauer Star“ bekannt. Tatsächlich ist das jedoch in den meisten Fällen durch eine Operation, die umgerechnet nur rund 80 € kostet, vermeidbar. In Deutschland sind die meisten Patienten höheren Alters. In Ruanda sind viele nur 30 bis 40 Jahre alt, manche jünger, einige sogar noch Kinder.

Plötzlich geht, was vorher lange Zeit nicht ging.

Viele von ihnen waren vor der Operation perspektivlos. Zum Beispiel ein Vater, der auf die Hilfe seiner Kinder angewiesen war, weil ihm der Graue Star das Augenlicht nahm. Die Kinder konnten aufgrund seiner Krankheit und der damit einhergehenden finanziellen Not nicht zur Schule gehen. Die Heilung des Vaters veränderte das Leben der ganzen Familie. Andere schienen fast apathisch. Plötzlich geht, was vorher lange Zeit nicht ging. DDas Leben mit Erblindung und der Abhängigkeit von anderen Menschen, die die Versorgung übernehmen, ist in gewisser Weise einfacher, als es selbst in die Hand zu nehmen.

Stephan und Silke unterstützen erfahrene Augenärzte in der ruandischen Klinik durch Operationen in diesem Bereich. „Ich bin jemand, der gerne mit wenigen Menschen auf Augenhöhe Dinge entwickelt“, erklärt Stephan. Er ist Hobbyhandwerker und in gewisser Weise kann er das auch als Augenarzt einsetzen. Während seiner Praktika im Medizinstudiums fiel es ihm schwer, immer wieder kranke Menschen zu sehen, bei denen es langfristig oft auch nicht wirklich besser wurde. Es benötigte mehrere Versuche mit einem klaren „Nein“ für das jeweilige Tätigkeitsfeld, bis er in der Augenheilkunde seinen Platz fand.

Silke arbeitet gerne mit ihm zusammen. Sie ist wissbegierig, vertieft sich in Historienromane und Biografien und fördert gerne die junge Generation – in der Jungschar, beim Kindergottesdienst, in der Vergangenheit bei der Pfadfinderarbeit, aber vor allem als Mutter.

Stephan ist ein Mann mit Visionen. Er ist zielstrebig, aktiv und sagt auch mal seine Meinung. All das schätzt Silke an ihm. So sehr er es liebt, in seiner Komfortzone von der großen weiten Welt zu träumen, so sehr hat er auch Respekt davor, sie tatsächlich kennenzulernen. In der Mission erlebt er, dass er mit Silke Ängste überwindet. Sie kommt nicht gerne aus ihrer Komfortzone heraus, doch ist sie einmal draußen, hat sie vor nichts Angst, meint er.

Sie dachten oft, dass sie nicht ins Missionsschema passen, doch erleben nun, wie sie einen Unterschied machen können – mit dem, was sie zu geben haben und in dem Rahmen, der zu ihnen passt.

Hobbies:
Silke: Laufen, Radfahren, Lesen
Stephan: Kajakfahren, Laufen, Bergsteigen
Das genießen wir:
Silke: Familienzeit
Stephan: Nachmittagstee
Job bei der AM:
Silke: OP-Schwester
Stephan: Augenarzt
Lieblingsbibelvers:
Silke: Prediger 4, 9+ 12b
Stephan: Römer 12, 1-2
Jesus für mich:
Silke: Kern meines Glaubens
Stephan: das Beste, was mir je passiert ist.
Alter:
Silke: 49 Jahre
Stephan: 53 Jahre
Letztes Buch:
Silke: Erin Litteken, Denk ich an Kiew
Stephan: Knittelfelder/ Lang: Lifestyle Jüngerschaft
Ich kann nicht schlafen, wenn:
Silke: die Wölfe des Nachbarn heulen
Stephan: es draußen zu laut ist.
Zuhause: Niederrhein, Calvi (Korsika), Ruanda

Das Portrait schrieb Evelyn Clement, Mitarbeiterin im Servicebereich Communication & Media

Dieser Artikel ist in unserem Magazin move (Februar – April 2024) erschienen.