Mut zum Zebrakuchen

Mut zum Zebrakuchen

Dies ist Dianas* Geschichte und sie tut weh und klingt unwahrscheinlich. Aber Diana ist es wert, dass sie erzählt wird. Damit Frauen ohne Hoffnung und Wert neuen Mut bekommen.

Ihre Eltern wollten sie nicht. Das war klar, als Ihre Mutter Diana als Baby bei Minustemperaturen vor das Haus legte, damit sie erfrieren würde. Bis heute weiß sie nicht, wer dafür verantwortlich war, dass sie am Morgen wohlbehalten in einem Zimmer lag. Das war klar, als ihre Eltern ihr nicht erlaubten, eine Schule zu besuchen, sondern sie mit 10 Jahren schon wie eine Erwachsene zu arbeiten und für Tiere und Landwirtschaft der Familie zu sorgen hatte. Ohne eigene Kleidung, nur in Lumpen gehüllt, obwohl ihre Familie wohlhabend ist. „Du bist unser Fluch von Allah!“, sagten sie ihr.

Sie wurde als zehntes Kind einer wohlhabenden Familie in einem osteuropäischen Land geboren. In einen muslimischen Klan, zu dessen Sonderlehren es gehört, dass jeder, der Schande über die Familie bringt, im Beisein der eigenen Familie sein eigenes Grab ausheben muss und lebendig begraben wird. Von vielen Frauen, die aus diesen lebensverachtenden Strukturen ausgebrochen sind, ist sie die einzige, die lebendig entkommen ist.

Ihre Mutter war orthodoxe Christin und die dritte Ehefrau ihres Vaters, von seiner Familie nicht akzeptiert und von ihm oft verächtlich als „Ungläubige“ beschimpft. Und da sie nicht – wie erhofft – als Sohn geboren wurde, erfuhr sie alle Ablehnung und Entwertung umso extremer. Als Kind war sie so einsam, dass sie sich aus Lumpen eine Puppe bastelte, die über Jahre ihr einziger Gesprächspartner war. Einen Namen hat sie ihr nicht gegeben.

Wie es die Klan-Lehre ist, musste sie mit sieben Jahren stundenlang auf einem mit Nägeln gespickten Brett den Koran studieren. Denn am Tag des Gerichts würden ihre Eltern Narben auf dem Körper ihrer Kinder vorweisen müssen – als Zeichen einer Gott-gefälligen Erziehung.

Auch wenn die mit dem muslimischen Glauben begründeten Regeln ihr Leben bestimmten, entschied sie schon als Kind: „Allah kann nicht Gott sein. Wenn Gott uns geschaffen hat, kann er nicht so brutal zu uns sein.“ Ihre Mutter hatte sie zum ersten Mal mit in eine orthodoxe Kirche genommen, und dort hat sie zum Gott der Christen gebetet: „Herr, hilf mir!“ Erst Jahre später konnte sie an dieses Gebet anknüpfen. Ging sie doch davon aus, dass man zum Gott der Christen nur in einer Kirche beten könne.

Sie wurde – zu ihrer größtmöglichen Schande gegen Bezahlung – zwei Mal verheiratet. Mit 14 Jahren an einen Mann, dessen Mutter sie als „Dummkopf in Ketten“ beschimpfte und auch so behandelte. Ihr Mann wollte sie loswerden und legte es darauf an, dass sie sich irgendein Vergehen zuschulden kommen lassen würde, damit er sie verstoßen könne. So ließ er sie nächtelang auf einem Bein in einer Ecke stehen, lies sie erst nach zwölf ins Zimmer, woraus sie um fünf in der Frühe wieder verschwunden zu sein hatte. Sie hatte gelernt, zu schweigen und alles zu ertragen. Sie wusste: bei ihrer eigenen Familie würde es noch viel schlimmer sein. Zwei Söhne bekam sie. Nachdem ihr Mann sie schließlich verstieß, hat sie beide nie wiedergesehen.

Sie wurde an einen zweiten Mann verheiratet und zog mit ihm in ein neu erworbenes Haus. Da es am Stadtrand lag, wurde ihre neue Familie wieder und wieder von radikalen Muslimen aus der Umgebung überfallen. Sie wollten stets dasselbe: Geld erpressen, Männer für den Dschihad rekrutieren und Frauen als Sexsklavinnen für die Gotteskämpfer entführen. Als sie ihren Mann eines Tages vor die Wahl stellten, 12 Millionen Rubel zu zahlen oder ihnen in den Dschihad der radikalen Muslime gegen die gemäßigten Muslime im Land zu folgen, flohen sie nach Deutschland.

Nach vier Monaten kehrten sie zurück. Kaum angekommen, wurde ihr Mann zu Unrecht wegen eines Mordes angeklagt und zu zehn Jahren Gefängnis verurteilt. Auf ihre Nachfragen hin drohte ein Richter ihr nur: „Wenn du nachforschst, bist du tot.“

So war sie allein mit ihren beiden Kindern, die sie mittlerweile ihrem zweiten Mann geboren hatte. Allein, als die Terroristen wiederkamen und sie dem Tod nahe zurückließen. Ihr zweiter Mann ließ sich von ihr scheiden. In dieser aussichtslosen Situation kamen Beamte der Regierung zu ihr und boten ihr an, ihr zu helfen, wenn sie für sie einen radikal-muslimischen und gesuchten Verwandten ausspionieren würde. Ohne jegliche Alternative musste sie Informationen über die eigene Familie sammeln und half, einen Drogenring auszuheben.

Als sie aufflog, ließen die Beamten sie fallen und ihre Familie schwor, sie umzubringen. Den Nachbarn hat sie zu verdanken, dass ihr eigener Bruder damit nicht erfolgreich war. Sie floh – von Terroristen bedroht, von der Familie zum Tod verflucht, von den Beamten fallengelassen. Eineinhalb Jahre flüchtete sie – am Rand des Landes entlang mit ihren beiden Kindern von einer Unterkunft zur nächsten. Stets so in Angst, dass sie sich nur nachts aus dem Haus traute.

Diana ist gelernte Konditorin und gab nicht auf. Eine Freundin verhalf ihr zu Aufträgen, kaufte Zutaten für sie ein. Und Diana fertigte Torten an: bis zu 30 Stück pro Nacht. Belieferte über ihre Freundin Hochzeiten und Feiern. Ihre Kinder konnten in den Jahren auf der Flucht nicht zur Schule gehen. Aber sie schaffte es, mit ihren Torten genug Geld zu verdienen, um Flucht und Visa nach Polen zu bezahlen. Am liebsten hat sie stets „Zebrakuchen“ gebacken.

Heute lebt sie mit Aufenthaltsgestattung mit ihren beiden Kindern in einem Dorf in Deutschland. Nach Jahren der Verfolgung, Flucht und Furcht um ihr Leben und das ihrer Kinder hatte sie nun nur einen Wunsch: eine Kirche zu finden. Denn, so dachte sie: nur dort würde sie dem wahrhaftigen Gott danken können, der sie in allem bewahrt und mehr als einmal ihr Leben gerettet hatte. Sie kam in Kontakt mit einer Freikirche vor Ort, erlebte einen Glauben, der frei macht und nicht das Leben verstümmelt.

Dort lernt sie einen Mitarbeiter der Allianz-Mission kennen, der übersetzt und praktisch hilft. Als ihr größtes Weihnachtsgeschenk 2018 empfindet sie es im Rückblick, dass sie stürzte und sich den Fuß verstauchte. Denn so kam es, dass er und seine Familie sie mit ihren Kindern für drei Wochen bei sich aufnahm. In diesen Wochen verstand sie mehr und mehr vom Glauben, erzählte ihre Geschichte und fand eine Antwort auf ihre brennendste Frage: „Wird Gott mir vergeben, dass ich vier Mal in meinem Leben versucht habe, mich umzubringen?“ Sie erlebte Vergebung und Befreiung, sagte sich los vom Islam und wurde getauft.

Für die Zukunft wünscht sich Diana vor allem, dass ihre Tochter niemals erleben muss, was sie erlebt hat. Da im Dorf viele Flüchtlinge aus ihrer Heimat leben, wird sie demnächst wieder umziehen. Mit ihrer Mutter und Schwester hat sie Kontakt aufgenommen. Und beide entdecken: sie spricht mit dem Gott der Christen wie mit einem Freund, er ist bei ihr und gibt ihr Halt. Nun möchten auch sie eine persönliche Beziehung zu Gott aufbauen. „Das Schlimmste“, sagt Diana im Rückblick, „war es, einsam in der Seele zu sein. Da hatte sich so viel Schmerz, Angst und Hass gesammelt. Nur Jesus konnte meine Seele zur Ruhe bringen und mir die Kraft geben, meinen Peinigern zu vergeben.“ Warum sie ihre Geschichte erzählt? „Ich möchte, dass Frauen, denen es wie mir ergeht, den Mut finden, Jesus anzubeten, ihre Augen zu öffnen und die Wahrheit zu erkennen.“

Simon Diercks ist Leiter Communication & Media

*Name geändert

Dieser Artikel ist in unserem Magazin move (August – Oktober 2019) erschienen.