In einzelnen Begegnungen mit einem Imam und mit Müttern und Kindern aus den Slums Nairobis lernen Stefanie und Daniel Kroppach, wie wertvoll es ist, einfach für Menschen da zu sein.
Ein Satz, der hauptsächlich Verlierern Mut machen soll. Frei nach dem Motto: „Egal, dass es sinnlos war, immerhin warst du dabei!“ Ein schwacher Trost in unserer erfolgshungrigen Gesellschaft. Kann dieses Motto für Mission gelten? Reicht da der Anspruch dabei zu sein? In den Projekten, in denen wir mitarbeiten, haben wir bewusst keine Leitungsaufgaben, keine Titel und auch kaum finanzielle Verantwortung. Das ist sehr befreiend, nicht nur für uns, sondern auch für die Kenianer, mit denen wir zusammenarbeiten. Wir sind uns nichts schuldig.
An der Ark School in Nairobi treffen wir uns regelmäßig mit Männern zum Bibelstudium. Die letzten Wochen haben wir uns Nehemia angesehen, einen starken Leiter. Wie befreiend war es für uns zu entdecken, dass Nehemia vor allem deshalb ein guter Leiter war, weil er zusätzlich zu seinem unerschütterlichen Glauben ein starkes Team hatte und er meist in der zweiten Reihe war. Nehemia war dabei, aber als ein Teil des Ganzen.
Wir sind da, helfen, wo wir können, und sind da für die Schüler und Lehrer. Natürlich haben wir eine Strategie und ein Ziel, aber die Schule gab es schon vor uns und wird es hoffentlich nach uns noch geben. Wir brauchen ihnen nicht die Verantwortung zu nehmen. Aber wir können sie befähigen und ihnen helfen, den muslimischen Kindern zu dienen.
Dabei sein heißt, da zu sein, ein offenes Ohr zu haben und hoffentlich die richtigen Worte. Wie Jesus mit den Jüngern auf dem Weg nach Emmaus: Er hat sich ihre Sorgen und Nöte angehört und ist mit ihnen den ganzen Weg gelaufen. In der muslimischen geprägten Slum Umgebung der Ark School kann ich als Missionar nicht als erstes mit der Bibel in der Hand kommen. Aber ich kann Freundschaften aufbauen und mit den Leuten ein Stück des Weges gehen.
So wie mit einem muslimischen Vater, der auch Islamlehrer in der Moschee ist. Viele Gespräche haben wir geführt – oftmals über Politik und Tagesgeschehen. Letzte Woche, auf dem Fußweg heraus aus dem Slum, habe ich ihn wieder einmal getroffen. Wie üblich sind wir den Großteil des Weges Hand in Hand gegangen und haben Smalltalk gehalten. Spontan nimmt er die Einladung an, zum Fußballspiel in einer christlichen Schule mitzukommen. So kommt der Iman zur größten Missionars-Kinderschule in Nairobi.
Die Unterschiede zu seiner Umgebung im Slum sind sehr groß, die Schule ist eine andere Welt für ihn. Nach dem Spiel sagt er auf dem Rückweg zu mir: „Jetzt weiß ich wieder, dass ihr Christen etwas habt, was wir nicht haben. 70 Jahre gemeinsam so eine Schule aufzubauen, das schaffen wir Moslems nicht.“
Seit einigen Wochen macht Steffi mit einer Gruppe Teenager-Mütter, die im Frauenhaus des Nest leben, ein Seminar zur Traumabewältigung. Jede hat ein Trauma und ein herzzerreißendes Schicksal. Doch das steht nicht im Vordergrund, auch nicht die Antworten auf ihre Nöte. Im Vordergrund steht Zuhören und ihnen einen Ort zu geben, an dem sie sich sicher fühlen. Jemanden zu haben, der da ist und mit ihnen ein Stück des Weges zurücklegt. Was könnte man auch sagen, außer: „Ich bin für dich da!“
Vieles, was wir an Schicksalen im Nest oder bei den Schülern an der Ark School hören, ist unvorstellbar und es fehlen uns die Worte. Wenn ein Baby ungeliebt einfach zum Sterben auf den Müll geworfen wird. Wenn eine Schülerin der siebten Klasse nach einer Vergewaltigung in der Familie schwanger ist. Wenn eine Viertklässlerin wegläuft, weil ihre ältere Schwester, bei der sie nach dem Tod der Eltern lebt, sie misshandelt und ihr das Essen vorenthält. Welche Worte kann man haben, wenn man einfach sprachlos ist? Aber man kann da sein. Dabei sein ist alles!
Stefanie und Daniel Kroppach sind Missionare in Nairobi, Kenia
Dieser Artikel ist in unserem Magazin move (Februar-April 2019) erschienen.