Gerhard Fuhrmann berichtet, wie die Allianz-Mission ab 1953 zu ihrem zweiten Missionsland kam. Und was Gott seitdem getan hat.
Das Leben der Menschen, die auf Gott hören, gleicht dem Sonnenaufgang: Es wird heller und heller, bis es völlig Tag geworden ist. (Sprüche 4,18)
Karuizawa ist ein Zufluchtsort für Japaner, wohin sie vor der Sommerhitze fliehen. Das Leben im Schatten der kühlen Berge ist angenehm. Wir hatten uns dort mit Freunden verabredet, um frühmorgens zum Panoramablick hinaufzuwandern. Es war noch kühl und stockdunkel. Aber es lohnte sich: Zuerst ließ sich ein fahler Schein sehen. Dann ging die Sonne auf und brachte Wärme und Licht. Die Sonnenstrahlen verwandelten die ganze Welt. So hätte ich es dem Licht des Evangeliums auch in Japan gewünscht, aber Gott hat seinen eigenen Plan.
Drei Ereignisse in der Weltgeschichte trugen dazu bei, dass Japan ab 1953 in den Fokus der Allianz-Mission als Missionsland geriet. Sie war ja ursprünglich Ende des 19. Jahrhunderts als “China-Inland-Allianz-Mission“ gegründet worden und rund 100 Missionare waren nach China entsandt worden.
Zum einen wurde es durch die Machtergreifung des Kommunismus in China zunehmend unmöglich, noch weitere Missionare auszusenden. Alle Missionare wurden nach Hause geholt. Ein zweiter Grund war, dass der Überfall der Japaner auf Pearl Habour im Dezember 1941 den Eintritt Amerikas in den Zweiten Weltkrieg auslöste. Der dritte Grund war der Abwurf der ersten Atombomben auf Hiroshima und Nagasaki, um den fürchterlichen Weltkrieg zu beenden. Die ganze Welt war geschockt, und nach dem Krieg kamen viele ehemalige amerikanische Soldaten als Missionare nach Japan.
Neustart nach dem Krieg
Die Nachkriegssituation für Deutschland war deprimierend: Es gab viele Trümmer, viele Familien mussten um Verwandte trauern, die tot oder vermisst waren. Wie sollte es mit der Allianz-Mission weitergehen? Am 13. September 1951 kamen Missionsleitung und Missionare zusammen, um zu dieser Frage nach Gottes Willen zu suchen. Sie beteten und suchten nach Antworten in der Bibel. Und sie fanden eine gemeinsame Antwort:
„Wenn wir dem Herrn gehorsam sein wollen, dann müssen wir Auslandsmission treiben; und wenn unsere Gemeinden dem gleichen Herrn gehorsam bleiben wollen, dann müssen sie Auslandsmission treiben.“ Die Gemeinden und die Missionsleitung waren sich nun einig über den weiteren Weg der Mission in dieser schwierigen Zeit. Gott zeigte am nächsten Tag, dass das neue Missionsland Japan werden sollte.
Die ersten zwei Missionarinnen reisten schon 1953 nach Japan aus. Die erste, Maria Hardenberg, hatte vorher schon in China gearbeitet. 1954 wurde Walter Werner ausgesandt. 64 Jahre später bewundere ich heute unsere Vorgänger, die noch zur Schiffsgeneration gehörten. Die Überfahrt dauerte damals zwei Monate.
Wo anfangen? Nach Vorbild des Apostels Paulus sollte es dahin gehen, wo am wenigsten Christen und Gemeinden waren. Und so zog Walter in die Stadt Hashima in der Gifu-Präfektur. Im September 1956 begann er damit, auf dem Bahnhofsvorplatz einer Kleinbahn zu predigen und hielt eine Evangelisation in einem Theatersaal. Damit begann die Missionstätigkeit der Allianz-Mission in Japan. Im folgenden Jahr ließen sich sechs Personen taufen. Die beiden Missionarinnen begannen mit Aufbauarbeiten an zwei Nachbarorten und Walter Werner an einem dritten.
Ausweitung der Arbeit in Japan
Zu den Arbeiten gehörten Sonntagschule, Bibelstunden und eine Evangelisationsveranstaltung im Zelt, bei der drei Menschen zum Glauben kamen. Im Jahr 1959 wurde in Hashima ein erstes Gemeindehaus gebaut. Danach wurden drei Christen zur Bibelschule gesandt. Weitere Verstärkung aus Deutschland kam, darunter Dankmar Hottenbacher, der 1960 in Kasamatsu eine Gemeindeaufbauarbeit begann. Er war es, der lange Zeit die Arbeit prägte. Peter Kobabe kam mit seiner Frau Irmgard hinzu. Durch ihn entstand Kontakt zu dem Fabrikanten Shohei Sumi, der später der erste Gemeindeälteste wurde. 1961 zog Siegfried Stolz nach Hashima und wechselte Walter Werner ab, der zu seinem ersten Heimataufenthalt fuhr. Japanische Pastoren übernahmen die Arbeit in den inzwischen entstehenden Gemeinden. Neue Missionare und Missionarinnen lernten Japanisch und begannen weitere Arbeiten.
Japan braucht Jesus
Im Jahr 1981 feierten wir 25-jähriges Jubiläum der Arbeit in Japan und hatten mittlerweile 17 Gemeinden mit insgesamt 500 Mitgliedern. Nach weiteren zehn Jahren war der Gemeindebund auf 900 Glieder gewachsen. Heute besteht er nach 66 Jahren aus 29 Gemeinden. Über 20 Pastoren und acht MissionarInnen arbeiten mit.
Als meine Frau und ich Ende 1972 nach Japan kamen und diese Arbeit kennenlernten, staunten wir über das, was Gott in diesem Volk, das das Evangelium von Jesus Christus noch nicht kannte, getan hatte. Dass Leute sich in dieser abgelegenen Gegend einladen ließen, die Bibel zu entdecken, das faszinierte mich.
In Tokyo auf der Sprachschule angekommen, fragte ich mich allerdings, was wir hier eigentlich sollten. In diesem Land gab es Steingötzen, zu denen die Menschen beteten. Sollte ich, der Deutsche, zu ihnen sagen: „Alles, was ihr bisher geglaubt habt, ist falsch. Jetzt müsst Ihr nur noch an den Gott der Bibel glauben!“ Würden sie mich nicht alle für verrückt halten?
Gottes Antwort erhielt ich dann durch das Buch eines berühmten japanischen Schriftstellers: „Ko-koro“ von Natsume Soseki. Es schildert die Gewissensqualen eines Mannes, der seinen Freund zum Selbstmord getrieben hatte, weil beide in das gleiche Mädchen verliebt waren. „Der Mann braucht das Evangelium von der Vergebung der Sünden.“ Je mehr ich las, desto tiefer brannte sich diese Gewissheit in mein Herz.
Im Gespräch mit einem Japaner bestätigte sich das. „Vergibt Gott jede Sünde? Auch wenn jemand seinen Vater umgebracht hat?“ Ich konnte das bestätigen und die Augen meines Gegenübers füllten sich mit Tränen. Nach über 40 eigenen Jahren voller Missionsarbeit in Japan weiß ich, dass es wahr ist: Japan braucht immer noch das Evangelium.
Gerhard und Barbara Fuhrmann sind im Ruhestand und waren 40 Jahre Missionare in Japan
Dieser Artikel ist in unserem Magazin move (Februar-April 2019) erschienen.