Vergewaltigt, aber nicht aufgegeben

Vergewaltigt, aber nicht aufgegeben

Steffi Kroppach unterstützt Mädchen in Narobi, die als Opfer sexueller Gewalt ihre Würde und ihren gesellschaftlichen Wert verloren haben. Wie Atiya*.

Atiyas Kindheit in einem der Armenviertel Nairobis war nicht leicht. Viel zu früh verließ der Vater die Familie und die Mutter kämpfte sich allein mit ihren vier Kindern durch. Es mangelte an allem und auch als der neue Stiefvater einzog, änderte sich nichts zum Besseren. Immerhin konnte Atiya regelmäßig zur Schule gehen und sogar ihr Examen bestehen. Das Geld reichte sogar für die Sekundarschule, doch wann immer die Mutter arbeitete und sie alleine zu Hause war, forderte der Stiefvater sie auf: „Komm doch zu mir ins Bett!“ Oft konnte sie der Situation entfliehen, aber nicht immer.

Bei einem Freund findet sie Trost. Der Weg zu seinem Haus ist nicht ungefährlich, immer wieder muss sie sich gegen Übergriffe wehren. Junge Mädchen scheinen Freiwild zu sein. Eines Abends geschieht es dann doch. Ein Nachbar lauert ihr auf, die Vergewaltigung lässt sich nicht mehr verhindern. Die intimste Würde, die ein Mensch besitzen kann: zunichtegemacht.

Bald darauf findet Atiya heraus, dass sie schwanger ist. Sie hofft so sehr, dass ihr Freund der Vater ist, auch wenn sie im Inneren weiß, dass dies nicht der Fall ist. Der Freund gibt ihr den Laufpass. Sie sei „beschmutzt“. Auch die Mutter schmeißt sie zuhause raus und sie kann nicht länger zur Schule gehen. Atiya kommt bei einer Freundin unter, doch aus Rache kommt es zu einer Anzeige und bald findet sie sich im Gefängnis wieder.

Seit mehreren Monaten ist Atiya nun im „Halfway House“ des Nests. Ein Ort, an dem Mädchen wie sie aufgefangen werden. Wöchentlich gibt Missionarin Steffi Kroppach für sie und andere Mädchen Seminare zur Traumabewältigung. Allein über ihre Erlebnisse sprechen zu können, ist ein Schritt in die eigene Würde zurück. Würde und Perspektive liegen eng beieinander. Die Mädchen erfahren: Gott schaut nicht auf sie herab, er ist mittendrin.

In der Zeit im Nest kann Atiya ihre Erfahrungen verarbeiten. Wenn sie auch nur ein Stück weit ihre Würde darin findet, dass sie nun Mutter eines Kindes ist, das sie zu einem besseren Menschen erziehen kann, dann ist ein großer Schritt getan.

Steffi und Daniel Kroppach sind Missionare in Nariobi, Kenia

*Name geändert

Dieser Artikel ist in unserem Magazin move (Mai-Juli 2020) erschienen.