Heil-Land von Bamako bis Leipzig

Heil-Land von Bamako bis Leipzig

Mission, die heilsam ist, hat mehr Aufträge, als nur das Evangelium zu verkünden. Genauer gesagt, ist sie beauftragt, das Evangelium auf mehr Weisen zu verkündigen als nur mit Predigten in Gottesdiensten. Missionar Karsten Pascher wagt einen malisch-deutschen Rundblick.

Wie gut: Nur selten müssen wir noch darüber streiten, ob Armutsbekämpfung wirklich zur Missionsarbeit dazugehört, ob Evangelium nur die Verkündigung von Sündenvergebung durch Jesus ist oder ob dazu auch sozialdiakonisches Engagement gehört. Nur: Wenn wir über ganzheitliche Missionsarbeit sprechen, egal ob im Ausland oder in Deutschland, ist dann damit schon alles gesagt?

Seit Jahren engagieren wir uns in Mali für bessere Lebensbedingungen der Menschen, helfen ihnen, Gärten anzulegen, behandeln AIDS-Kranke, verhelfen Kindern zu einer guten Schulbildung und verbinden das mit der guten Botschaft der Liebe Gottes in Jesus Christus. Und doch werden die Lebensbedingungen immer schwieriger durch Krieg, Terrorismus, Korruption, Hass zwischen den Ethnien, Klimawandel, steigende Lebensmittelpreise.

In unserer heillosen, komplexen Welt sind da offensichtlich noch ganz andere Aspekte, die wir mit einbeziehen müssen, wenn wir wirklich das ganze Evangelium dem ganzen Menschen bringen möchten – solche, die uns vielleicht nicht sofort einfallen, wenn wir uns über Mission Gedanken machen:

Kirche als Zeichen von heiler Gemeinschaft

Wie wohltuend, wenn Menschen erleben, dass mit Jesus im Mittelpunkt Grenzen überwunden werden: zwischen Ethnien, zwischen Impfgegnern und -befürwortern, zwischen denen, die die aktuelle Regierung stützen, und solchen, die ihr ablehnend gegenüberstehen. 

Christen als Gesellschaftsveränderer

Wie heilsam, wenn Christen nicht nur nicht bestechlich sind, sondern sich auch aktiv gegen Korruption einsetzen; wenn sie solidarisch sind, wenn Lebensmittel knapp werden; wenn sie sich dafür einsetzen, dass Arbeitsplätze geschaffen werden, die sozial verträglich, familienfreundlich und vernünftig bezahlt sind.

Christen als Schöpfungsbewahrer

Wie wichtig, wenn Missionare nicht mit 195 km/h über die Autobahn zum nächsten Missionsgottesdienst rasen; wenn sie Projekte fördern, die auf lange Sicht dazu beitragen, dass sich das Klima stabilisiert; wenn sie als reiche Europäer in wirtschaftlich armen Ländern mit dem Fahrrad zur Arbeitsstätte fahren.

Christen als Politikbeeinflusser

Wie ermutigend, wenn Christen Briefe schreiben an ihre Bundestagsabgeordneten und die Ministerin für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung; wenn Missionare in ihren Ländern dazu beitragen, dass Christen sich politisch engagieren. Ich lebe seit fast 20 Jahren in Leipzig und habe aus der DDR-Geschichte viel gelernt darüber, wie Christen verantwortungsvoll Politik mitgestalten und einen entscheidenden Beitrag leisten können.

Kirche, die betet und fastet

„Es ist unsere Aufgabe, mit Bitten, Flehen und Danken für alle Menschen einzutreten, insbesondere für die Regierenden und alle, die eine hohe Stellung einnehmen, damit wir ungestört und in Frieden ein Leben führen können, durch das Gott in jeder Hinsicht geehrt wird“ (1. Timotheus 2,1f). Wie notwendig, dass in Gottesdiensten Raum ist für Gebet für Regierende, für Frieden in dieser Welt. Auch da habe ich vom Friedensgebet vor den Demos in Leipzig gelernt. Und auch das gemeinsame Fasten, was gerade in politischen Notlagen und Kriegen in der Kirchengeschichte eine wichtige Rolle gespielt hat, darf bei uns gerne wieder einen Platz finden.

Ganzheitliche Missionsarbeit – im Ausland wie in Deutschland. Wenn es wirklich die von Gott ausstrahlende Liebe ist, die uns motiviert, dann können wir nicht Gesellschaft, Schöpfung und Politik denen überlassen, die Jesus nicht kennen. Dann brauchen wir eine Kirche, die betend, fastend, gesellschaftlich und politisch engagiert Gottes Liebe verkündigt, damit der Heiland das Land heilt.

Dr. Karsten Pascher ist Missionar für Mali und lebt in Leipzig

Dieser Artikel ist in unserem Magazin move (Februar – April 2023) erschienen.