„Das Evangelium weitersagen, egal wo wir sind.”

„Das Evangelium weitersagen, egal wo wir sind.”

Willi Ferderer wächst im russischen Deportationslager und später in Deutschland auf. Gott ruft ihn in den Senegal, gebraucht ihn als Gemeindegründer und um Menschen zu Jesus zu führen. Ein Mann, dessen Geschichte Bücher füllen könnte.

Wenn Willi mit seiner Schwester Nelli die Straßen im russischen Borowsk, Teil des heutigen Solikamsk, entlangläuft, werden sie oft mit „Fritz“ und „Faschist“ beschimpft. Sie wohnen mit Oma Alma, den Eltern und vielen anderen Deutschen in einer Baracke in einem Deportationslager. Ihre Eltern müssen schwere Arbeit in Fabriken verrichten. Die Wände der Baracken sind kaum isoliert, sodass im Winter trotz des Herd-Ofens die Kälte bis ins Bett kriecht, und auf den Toiletten draußen gefriert der Unrat. „Das habe ich noch sehr gut in Erinnerung“, sagt Willi mit einem fröhlichen Lachen. Er hat die Zeit trotz allem sehr positiv in Erinnerung, denn was die Zeit auch auszeichnete, war die christliche Gemeinschaft.

In den Liedern, die sie damals sangen, ging es um dasgeistliche Überleben in einer feindlich gesinnten, hier kommunistisch geprägten Welt. In der Gemeinde kamen in den letzten 70 Jahren, so schätzt Willi, rund 2000 Menschen, auch Russen, zum Glauben. Es war trotz der Realität „draußen“ ein fried- und liebevolles Miteinander. Dennoch sehnten sich viele nach Deutschland. Einzelpersonen konnten hin und wieder die nötigen Papiere bekommen. Auch Willis Oma versuchte es mehrfach allein. Eineinhalb Jahre vor Almas Tod konnte die ganze Familie im September 1973 nach Deutschland zurückkehren und Willis Oma ihren lange vermissten Sohn wiedersehen.

Zurück in der Heimat

Willis Vater machte noch in Russland immer wieder Ermutigungsbesuche und nahm dabei seine Kinder mit. Eine der dadurch Beglückten war „Tante Thiessen“, die viel betete – auch für Willi, als der seine erste Ausbildung zum Mechaniker machte. Ihr war klar: „Willi soll Missionar werden!“ Das sah Willi zunächst aber anders. Er wollte im Ausland als Monteur arbeiten und Geld verdienen. Doch auch der Pastor sagte ihm nach seiner Taufe: „Gott wird dich noch ganz schön gebrauchen.“

Das bewahrheitete sich. Willi wurde während seiner Abwesenheit mehr unfreiwillig zum Leiter des Jugendkreises ernannt. In der Jugendarbeit erkannte er jedoch, dass er eine theologische Ausbildung brauchte und wollte. Deshalb begann er ein Jahr später in Lemgo / Brake eine theologische Ausbildung.

Sein Klassenlehrer war begeisterter Evangelist. Immer wieder machten sie Straßeneinsätze. „Ich war ein richtig schüchterner Typ“, erzählt Willi – etwas, das man nicht erwarten würde, wenn man den Willi von heute kennt. Er ist selbst Evangelist geworden und begegnet einem als sehr freundlicher, offener Mensch. Manchmal kann man ihn kaum stoppen, wenn er beginnt von seinen Projekten und Arbeiten zu erzählen – zumal die Senegalesen, die ihn später noch prägten, gerne Aussagen mehrmals auf unterschiedliche Weise sagen.

Ruf in den Senegal

Auch erfuhr Willi von der Sahel-Zone, in die von Norden immer mehr der Islam Einzug hielt. Die Zeit, um Menschen ohne große Gefahr mit der Guten Nachricht zu erreichen, lief davon. Willi entschied sich daher, in den Senegal zu gehen – und seine Freundin Maria, die seine Frau wurde, erhielt die gleiche Berufung.

Im Senegal erwartete die beiden und ihre drei Töchter eine bunte Mischung an Kultur – nicht nur unter den Gemeindegliedern, sondern auch im Missionarsteam. Während Heimataufenthalten studierte Willi in Korntal an der „Hochschule für Mission“ (heute AWM) Missiologie und beschäftigte sich besonders mit dem Thema „Kontextualisierung“ in der interkulturellen Missionsarbeit. „Ohne das hätte ich es nicht geschafft“, sagt er im Hinblick auf die multikulturelle Gemeinde damals. Es entstanden drei Tochtergemeinden, Leiter wurden herangebildet und zu theologischen Schulen gesandt.

Willi arbeitete vorwiegend unter der Volksgruppe der Fulas bzw. Fulani. Sie sind stark vom Islam und Animismus sowie ihrer Kultur geprägt. Sie leben in ganz Westafrika. Bis heute sind sie nur schwer mit dem Evangelium zu erreichen. Wer zum Glauben kommt, muss mit Verfolgung rechnen. Gerade ihnen begegnete Willi – einige von ihnen wurden Christen, einzelne sogar Pastoren und sind heute noch aktiv. So wie Antoine Manga, ein Mann aus der Volksgruppe der Diola. Damals war er Türsteher. Dieser entsprechend große und breite Mann klopfte eines Morgens bei Willi ans Tor: „Du, heute Nacht bin ich aufgewacht und mir wurde deutlich, ich soll ganz doll beten und mein Herz Jesus geben. Und das habe ich dann gemacht.“ Er nennt Willi heute „Papa“. Manche, die Antoine früher kannten, sagen, er sei ein Lämmchen geworden. Heute ist er Pastor in Dakar. Solche Geschichten hat Willi einige zu erzählen, aber auch einige Enttäuschungen erlebt.

Neuer Dienst in Deutschland

1998 kam Willi nach Deutschland zurück, leitete eine Baptistengemeinde, gründete weitere und leitete danach das Deutsche Mennonitische Missionskomitee. Von dort aus bewarb er sich bei der Allianz-Mission als Referent für die Internationale Arbeit in Deutschland. Seine Aufgabe besteht nun seit 2011 in der Internationalisierung des Bundes Freier evangelischer Gemeinden: „Sensibilisieren, motivieren, vernetzen, schulen und begleiten“, fasst er zusammen. „Ausländer und Deutsche brauchen sich gegenseitig.“ Mit diesem Anliegen und Dienst reist er quer durch Deutschland. Inzwischen gibt es mehr als 60 internationale Gemeinden im Bund FeG in 14 Sprachen.

Immer wieder ergibt sich die Möglichkeit, das Evangelium mit Menschen zu teilen. Im letzten Winter lag Willi wegen eines Tumors im Krankhaus. Sein Zimmerkollege war ganz erstaunt, dass nach einem katholischen Priester und einem evangelischen Pfarrer nun ein Pastor das Nachbarbett belegte. Er fragte etwas betroffen: „Bekomme ich nun die letzte Ölung?“ Die bekam er nicht, aber auch diesem Mann hat Willi natürlich von Jesus zu erzählt.

Das ist es, was wir als Allianz-Mission an Willi so schätzen: sein evangelistisches Herz, sein Herz für Migranten, die Freude, die er ausstrahlt. Es wird komisch sein, ihn bald in den „Teilzeit-Ruhestand“ zu verabschieden. Ein letzter Satz?

„Gott möchte, dass wir, egal wo wir sind, das Evangelium weitersagen. Die Zeit ist viel zu kurz.“

Willi Ferderer

Willi Ferderer im Steckbrief

Hobbys: Wandern, Lesen, Schachspielen

Die besten Bücher, die ich seit langem gelesen habe:
Dr. Markus Spieker: „Jesus – Eine Weltgeschichte”;
Ahmed Ali Haile/Dr. David Shenk: „Tea-Time in Mogadishu”;
Alexander Lukasik (von GLIFA): „Jesus in Äthiopien”

Dieser Bibelvers bedeutet mir viel:
Eph. 3,10 a: „Ja, ich möchte Christus immer besser erkennen und die Kraft, mit der Gott ihn von den Toten auferweckt hat, an mir
selbst erfahren…”

In meinem Ruhestand werde ich:
„keine Däumchen drehen”, wenn Gott es ermöglicht und ich die Gesundheit habe, würde ich gerne den wenigen, z. T. verfolgten Fula-Christen in Senegal und Guinea-Conakry beistehen, sie öfters besuchen und stärken, so viel Gott es schenkt.

Jesus für mich:
Nicht nur mein Erlöser und mein Herr, sondern auch mein „Großer Bruder”, der meine menschlichen Situationen kennt und Mitleid mit mir hat.

Das Portrait schrieb Evelyn Clement, Mitarbeiterin im Bereich Communication & Media

Dieses Portrait ist in unserem Magazin move (November 2023 – Januar 2024) erschienen.