Ausbildung nach der Flut

Ausbildung nach der Flut

Elena Reeh hilft Familien, die bei einer Überflutung in den Armenvierteln Manilas alles verloren haben. Sie erlebt, wie Gott durch ganzheitliche Hilfe ganze Familien verändert.

Regenzeit auf den Philippinen. Wie in jedem Jahr ziehen einige Taifune über den Inselstaat hinweg. Im September 2009 ist es der Taifun Ketsana. Es regnet so stark, dass die Dämme und Flüsse in und um die Millionen Stadt Manila die Wassermassen nicht mehr fassen können. Wieder einmal kommt es auf den Philippinen zu Überschwemmungen. Im Osten Manilas, dem Einsatzgebiet der Allianz-Mission, sind 3.000.000 Menschen betroffen: Abertausende in den Armenvierteln im Gebiet des Flutkanals „Floodway“ verlieren ihr gesamtes Hab und Gut, was meistens sowieso nicht viel ist.

Neben praktischer Soforthilfe stellen sich viele Fragen: Wie begegnet man solcher Not? Wie hilft man nachhaltig und sinnvoll? Schnell wurde klar, dass ein wesentliches Problem die Schulbildung der Kinder war. Auch wenn die Schulbildung in den staatlichen Schulen kostenlos ist, müssen die Familien Kosten für Schuluniform, Material, öffentliche Verkehrsmittel und Mittagessen selbst aufbringen. Das können sich – gerade nach der Flut – viele Familien nicht mehr leisten. So können viele Kinder die Schule nicht mehr besuchen.

Bildung ist hier einer der wesentlichen Faktoren für das Durchbrechen struktureller Armut und Veränderung in Familien. Und veränderte Familien können nachhaltig auch die Gesellschaft transformieren. Vielen der philippinischen Christen ist es – wie uns – ein großes Anliegen, etwas gegen die Not zu unternehmen.

So entstand “LEAP – Love of God Education Assistance Program” (deutsch: Liebe Gottes Ausbildunghilfsprogramm). Ein Schul- und Ausbildungförderungsprogramm, das zunächst auf zehn Jahre angesetzt ist. Ein Programm, das die gesamten Familien im Blick haben und unterstützen möchte. Zunächst sollte klein angefangen werden – den finanziellen und personellen Möglichkeiten vor Ort entsprechend. Anhand der Erfahrungen anderer Organisationen mit Stipendienprogrammen überlegte ein Planungsteam einheimischer Filipinos und Missionaren der Allianz-Mission gemeinsam, wie dieses Programm konkret Gestalt annehmen könnte.

Von Beginn an war klar, dass die Koordination in philippinischer und erfahrener Hand liegen sollte. Mit Jeanie Seran, die bis heute das Programm koordiniert, wurde eine engagierte und erfahrene junge Frau gefunden, die ein großes Herz und Liebe zu den Menschen vor Ort hat. Jeanie ist ein großer Segen.

LEAP ist für mich ein Projekt, das Gott gebraucht, um seinen Segen ganzheitlich auszugießen. Das geschieht durch finanzielle Unterstützung, emotionale, persönliche und vor allem geistliche Lebensbegleitung der Schüler und ihrer Familien.

Lorfel, Mutter von 2 Töchtern und Mitarbeiterin des LEAP Programms

Gemeinsam mit Mitgliedern der christlichen Gemeinde vor Ort wurde entschieden, welche vom Taifun betroffenen Familien aus der Nachbarschaft Hilfe am nötigsten haben. Nachdem wir viele Hütten besucht und uns ein eigenes Bild der jeweiligen Lebenssituation gemacht haben, wurden die ersten 30 Stipendiaten ausgewählt.

Durch LEAP streben wir nachhaltige Veränderung der Familienverhältnisse an. Wir wollen Abhängigkeiten vermeiden und Selbständigkeit, wie auch Eltern in ihrer Rolle fördern. Deswegen sind die Eltern der Stipendiaten mitverantwortlich. Sie müssen einen kleinen Teil der Ausbildungskosten übernehmen und klaren Vereinbarungen zustimmen. Neben der finanziellen Unterstützung besuchen wir als Missionare und Mitarbeiter die Familien regelmäßig und bieten Seminare für die Eltern an.

Aktuell sind 26 Familien Teil des LEAP Programms, das insgesamt über 125 Menschen im Programm betreute Menschen einschließt. Jedes Schuljahr wird neu entschieden, welche Familien Teil des Programms werden. Mittlerweile haben viele Schüler die Schule oder auch die Berufsausbildung abgeschlossen und können so selber für den Unterhalt ihrer Familie arbeiten.

LEAP war ein großer Segen in meinem Leben. So konnte ich studieren und mein Studium auch abschließen. Deshalb kann ich nun selbst als Lehrerin tätig sein. Ohne die zusätzliche Unterstützung hätte ich keinen Abschluss machen können und dadurch auch nicht die Arbeitsstelle bekommen, die ich jetzt habe. Ich bin sehr dankbar für LEAP.

April, ehemalige LEAP-Stipendiatin

Bei allen Bestrebungen, nachhaltige Konzepte zu erstellen, legen wir immer wieder alles Tun und jeden Menschen in Gottes Hand und bitten Ihn, zu wirken, zu segnen und uns zu gebrauchen. Das braucht Zeit. Denn Vertrauen und Beziehungen sind der Türöffner für nachhaltige Veränderungen. Und Vertrauen wächst bei Menschen in kaputten Strukturen nur mit viel Geduld und langem Atem. Aber Gott hat Geduld und Zeit, um in Menschen zu investieren. Er lässt nicht locker.

Wie bei Maria, einer Mutter aus dem LEAP Programm: Sie war lange sehr bitter und entsprechend hart zu ihren Kindern. Aber Gottes Liebe verändert. Sie selbst sagte, „Seit ich angefangen habe für und mit meinen Kindern zu beten, hat Gott mir eine neue Liebe für meine Kinder geschenkt. Ich lerne sie ganz anders kennen“. Es ist ein Geschenk, diese verändernde Liebe und Freude Gottes im Lachen und Leben Marias zu erleben.

Oder bei Belinda* – eine weitere Mutter im LEAP Programm: Sie litt lange Zeit unter so starken Angststörungen, dass sie nicht in der Lage war, ihre kleine Hütte im Armenviertel zu verlassen. Unzählige Male haben sie Mitarbeiter von LEAP besucht und in Zusammenarbeit mit einer unserer Gemeinden fanden immer wieder Bibelstunden vor der kleinen Hütte statt, damit auch sie zuhören konnte. Jesus brachte Veränderung in ihr Herz: Sie lernte ihn als ihren Retter kennen, der sie von ihrer Angst befreite. Heute strahlt sie Freude aus und ist zu einer tragenden Säule in ihrer Nachbarschaft und der Gemeinde geworden. Sie hat erkannt, dass sie die Liebe, Freude und Erlösung, die sie durch Gott erlebt hat, an andere weitergeben kann.

Ich selbst bin als Missionarin erst seit wenigen Monaten Teil des Kernteams von LEAP. Dabei lerne ich viel über Dankbarkeit, hingebungsvollen Glauben und Nächstenliebe. Darüber, wie Gott wirkt in Familien und Herzen. Aber ich sehe auch Rückschläge, Leid und tiefes Elend; oft auch Verzweiflung und Machtlosigkeit über so viel Ungerechtigkeit. Immer wieder hilft es uns, zu erinnern, dass Jesus Christus die einzige Hoffnung und Rettung für diese Welt und diese Menschen ist. Dass Gott jede Lebensgeschichte kennt, egal wie klein, unscheinbar oder elend sie scheinen mag. Er alleine rettet.

Elena Reeh ist Missionarin in Manila, Philippinen

Dieser Artikel ist in unserem Magazin move (November 2018 – Januar 2019) erschienen.

*Namen geändert

Nachdem der Taifun Mangkhut die Philippinen im September schwer getroffen hat, sind wir froh, dass wir über uns vertraute Organisationen schnell Hilfe leisten können. Zuerst geht es darum, die Menschen mit Lebensmitteln zu versorgen. Auf längere Sicht möchten wir dazu beitragen, dass Menschen wieder ein Dach über dem Kopf haben und Wege finden, die Ernte- und Verdienstausfälle zu kompensieren.