Stipendien im Slum

Stipendien im Slum

Wiebke Schmidt-Holzhüter begleitet Stipendiaten des Projektes LEAP im philippinischen Armenviertel in Manila. Dort begegnete sie der Mutter von vier Kindern und staunt, was Gott im Leben der Familie gewirkt hat.

Als wir das Stipendienprojekt LEAP nach Taifun Ketsana (2009) ins Leben gerufen haben, war uns von Anfang an klar, dass echte Lebensveränderung bei den Kindern und ihren Familien nicht vor allem durch finanzielle Unterstützung geschehen würde. Unser Ziel war es, den vom Taifun besonders schwer Betroffenen und allemal sehr armen Familien nachhaltig zu helfen. So war es von Anfang an Teil unseres Konzepts, dass bei regelmäßigen Treffen neben Alltags- und Erziehungsthemen natürlich über Gottes Liebe und seine Einladung gesprochen werden sollte. Inzwischen haben uns die Jahre und die Menschen gelehrt, dass echte Veränderung vor allem durch langfristige Beziehungen und authentisch gelebten Glauben geschieht. Und während wir mit den Familien das Leben teilen, staunen wir dankbar, wie viel auch wir von ihnen über das Leben lernen können.

Da ist beispielsweise Badet mit ihren Kindern. Durch die kleine Gemeinde in ihrem Armenviertel wurden wir auf sie aufmerksam gemacht, weil sie von der Flut besonders hart getroffen waren. Die Familie von Badet wohnt zu siebt in einer 12 m2 kleinen Hütte. Der Boden besteht aus Schutt, ein altes Stück Stoff dient als Vorhang zwischen dem Eingangs- und dem Schlafbereich. Es gibt kein Fenster, dafür tummelt sich fröhlich allerlei Ungetier in der Hütte. Als wir Badet kennenlernen, wagt sie sich nicht aus ihrer Hütte. Sie hat Traumatisierendes erlebt und ist in ständiger Angst. Ihre zum Teil noch kleinen Kinder leiden sehr unter der Situation und müssen viel Verantwortung übernehmen. Badets Mann verdingt sich – wo immer er Arbeit findet – als Bauhelfer. Um Fahrtkosten zu sparen, übernachtet er, wie es hier üblich ist, auf der jeweiligen Baustelle und kommt nur selten nach Hause. Das wenige Geld, das er verdient, reicht nicht, um die Familie zu ernähren, geschweige denn die Kinder zur Schule zu schicken. Um Badet zu ermutigen und ihr die Möglichkeit zu geben, Gottes Wort zu hören, obwohl sie ihre Hütte nicht verlässt, hält der Pastor der Gemeinde einen Bibelkreis direkt vor ihrer Hütte ab – und Badet hört wirklich zu. Als LEAP-Mitarbeiter besuchen wir sie regelmäßig, hören ihr zu, teilen das Leid, aber bringen auch Gottes Wort und seine Wahrheit in die Situation. Regelmäßig beten wir mit ihr und für sie. Nach und nach erfährt Badet innere Heilung. Ihr wachsendes Vertrauen in Jesus findet schließlich auch darin Ausdruck, dass sie es eines Tages wagt, ihre Hütte zu verlassen. Was für eine Befreiung – für sie, aber auch für ihre Kinder!

Seitdem sind einige Jahre vergangen, und Badet verlässt nicht mehr nur zaghaft ihre Hütte, sondern sie ist zu einer Säule der Gemeinde und einer wesentlichen Stütze ihrer Nachbarschaft geworden. Wenn es irgendwo klemmt, dann geht man zu Badet – die hört zu und betet zu Jesus. Wir können nur staunen über und lernen von Badets so sturmtauglichem Gottvertrauen. Denn nach wie vor ist die Familie sehr, sehr arm und die täglichen Herausforderungen sind endlos. Aber Badet hat in Jesus Ruhe und Freiheit gefunden. Und ihre Kinder? Auch sie staunen über die Verwandlung ihrer Mutter. Alle sind inzwischen mit Jesus unterwegs. Dankbar nutzen sie die Unterstützung, die sie durch LEAP erhalten, und wir sind sehr zuversichtlich, dass sie mit ihren absehbar guten Schulabschlüssen eine echte Chance haben – eine Chance Arbeit zu finden und dann als Familie auch aus der finanziellen Not herauszukommen.

Nach all den Jahren freuen wir uns, dass inzwischen viele von den beteiligten Familien ihren Weg mit Jesus gehen und echte Veränderung erfahren haben. Wir beten, dass auch die anderen ihr Herz noch für ihn öffnen. Wir freuen uns riesig, dass viele unserer älteren Stipendiaten gute Berufe haben und nun ihren Familien helfen. Gleichzeitig schmerzt es uns, dass manche nicht aus ihrem Elend herausgekommen sind. Insgesamt hat Gott jedoch viel Gnade geschenkt. Wir beten, dass wir noch viele Kinder und Familien durch dieses Projekt schulisch und auf ihrem Lebensweg begleiten und sie zu Gott einladen können. Inzwischen liegt der Fokus des Projekts nicht mehr bei den Flutopfern, sondern mehr und mehr versuchen wir, Straßenkinder aus dem Pag-asa-Projekt durch LEAP zu unterstützen.

Wiebke Schmidt-Holzhüter ist Missionarin in Manila, Philippinen

Dieser Artikel ist in unserem Magazin move (November 2021 – Januar 2022) erschienen.